9punkt - Die Debattenrundschau

Umfassende Selbstverprinzessinung

Rundblick durch die Feuilletondebatten. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
22.05.2018. Marlene Streeruwitz nimmt im Standard die Hochzeit von Harry und Meghan zum Anlass für eine kleine Prinzessinnenkunde. Mark Zuckerberg wird nun auch vom Europäischen Parlament befragt - politico.eu hat sich schon mal ein paar Fragen ausgedacht. Zeit online spekuliert über den Nutzen der Blockchain-Technologie für die nachhaltige Wirtschaft. In der taz spricht die Frauenärztin Silvana Agatone über Abtreibung in Italien.
Efeu - Die Kulturrundschau vom 22.05.2018 finden Sie hier

Internet

Mark Zuckerberg wird nun auch vom Europäischen Parlament befragt - und anders, als zunächst geplant, sogar öffentlich. Laurens Cerulus legt in politico.eu schon mal ein paar Fragen vor, die die Abgeordneten stellen sollten, eine davon: "Ist es korrekt, dass Anzeigenkunden die Menschen auf Facebook nach Suchkriterien wie 'Kommunismus', 'christlich' oder 'LGBT' ansprechen können? Besondere Daten (oft sensitive Daten genannt) zu verarbeiten, soll nach der DSGVO verboten sein. Auf welche Ausnahme von diesem Gesetz beruft sich Facebook? Behauptet Facebook, dass die Leute ihre 'explizite Einwilligung' für ein derartiges Targeting geben?"

Die Blockchain-Technologie, auf der etwa die Bitcoin-Währung beruht, erlaubt es, sehr sensible Daten sicher ohne Zentralserver zu verwalten. Sie könnte auch in der Steuerung anderer Prozesse - etwa zum Umweltschutz - eine wichtige Rolle spielen, wenn da nicht der gigantische Stromverbrauch dieser Technologie wäre. Es gibt inzwischen allerdings auch weniger stromfressende Konkurrenz-Technologien, schreibt Niels Boeing bei Zeit online. Eines davon sei Ethereum: "Das System kann neben Überweisungen der Ether genannten Kryptowährung auch kleine Programme ausführen, sogenannte Smart Contracts. Die könnten zum Beispiel Geräte wie 'intelligente' Stromzähler steuern. Die gemeinnützige EnergyWeb Foundation hat kürzlich eine auf dem Ethereum-System basierende Blockchain namens Tobalaba gestartet. Mit ihr soll getestet werden, wie Energieversorger und Geräte in angeschlossenen Haushalten die Energieversorgung der Zukunft effizienter und sicherer machen." Auf diese Weise soll etwa das Einspeisen kleiner Strommengen ins Netz einfacher werden.

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Ideen

Marlene Streeruwitz nimmt die Hochzeit von Harry und Meghan zum Anlass für eine kleine Prinzessinnenkunde. Denn alle Frauen waren einmal Prinzessinnen, schreibt sie im Standard, und sind es eigentlich immer noch: "Die Herkunft der Prinzessin aus der Vatervorstellung ihrer Weiblichkeit ermöglicht, ein imperialistisch-fundamentalistisch motiviertes Frauenbild zu transportieren. Auf der anderen Seite. Wenn es Prinzessin heißen muss, um sich selbst als etwas Besonderes empfinden zu können. Dann sollten wir uns alle und gegeneinander Prinzessinnen nennen. Wir sollten uns all die in diesem Wort enthaltenen Vorstellungen aneignen und reklamieren. In einer Stülpung von außen nach innen sollten wir uns als Prinzessinnen ansehen und dann eine werden. Eine umfassende Selbstverprinzessinung sollte unseren Selbstwert in der Weise vergrößern, dass wir in Ruhe sehen können, was wir nicht bekommen. Obwohl es uns zustünde. Wir sollten Prinzessinnengipfeltreffen organisieren und genau in dieser Gewissheit des Werts darüber reden."

Wie kann Europa für die Menschen zur Heimat werden, fragt sich in der NZZ der Philosoph Otfried Höffe. Ohne ein auch emotionales Zugehörigkeitsgefühl wird es nichts mit der europäischen Bürgerrepublik, warnt er. Die Definition als reiner Aufenthalts- und Schutzort ist ihm dabei zu eng: "Zu einer mehr als nur elementaren Heimat gehört aber ein existenzielles Sichwohlfühlen. Seinetwegen sollte man nicht über jedes Brauchtum die Nase rümpfen. Rheinischer Karneval, oberschwäbische Fasnacht und Basler Morgestraich, das Zürcher Sechseläuten, in München der Nockherberg oder das Oktoberfest-Traditionen pflegen Zugezogene rasch für ein Dorf, eine Stadt, ein Land und eine Gemeinschaft einzunehmen. Sie helfen mit, ein Wir-Gefühl entstehen zu lassen, mit dem staatlich verordnete Feiern kaum konkurrieren können."
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Politik

Der palästinesische Politologe Mudar Kassis gibt im Gespräch mit Jochen Stahnke von der FAZ allein Israel die Schuld für die Toten am Grenzzaun zu Gaza. Auf die Hamas angesprochen, sagt er: "Ich bin kein Experte für die Taktiken und Überlegungen der Hamas. Doch ist das Blutbad das Ergebnis der israelischen Besatzung, nicht des Widerstandes dagegen. Wir sind nicht in der Position, über die Hamas urteilen zu dürfen. In einer Besatzungssituation gibt es keine Rechtsstaatlichkeit. Ich glaube fest an Rechtsstaatlichkeit. Aber wenn das Gesetz meine Freiheiten zugunsten israelischer kolonialer Interessen einschränkt, dann wird das Recht unmoralisch, besonders wenn es auf einer Machtfrage beruht."

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Medien

Die Kommentierung der royalen Hochzeit durch das ZDF war offenbar leicht grenzwertig, schreibt taz-Blogger Frederik Schindler - man wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass Meghan Markle eine schwarze Mutter hat. Schindler zitiert: "'Ist die Queen da so großzügig und sagt: 'Die beiden werden ja niemals König und Königin, da können wir uns auch mal so ein exotisches Paar leisten', ich sag es mal so salopp', begann der Moderator Norbert Lehmann. William und Kate dürften sich als Garanten der Zukunft der Monarchie 'nicht so viele Extravaganzen erlauben', antwortet die Adelsexpertin Julia Melchior. 'Jetzt halt dieses bunt gemischte Paar, das ist ein großer Zugewinn'."

Außerdem: Die Obamas werden Shows und Filme für Netflix produzieren, meldet unter anderem die New York Times.

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Europa

Am Freitag stimmen die IrInnen über Abtreibung ab. Die taz bringt aus dem Anlass eine kleine Serie über Abtreibung in Europa. In Italien etwa verweigern immmer mehr ÄrzIinnen den Eingriff, sagt die Frauenärztin Silvana Agatone im Gespräch mit Miachel Braun. Wobei es vielleicht nicht unbedingt immer das Gewissen ist, das den Ausschlag gibt: "Bei den Aufstiegschancen in den Krankenhäusern etwa stehen die zu Abtreibungen bereiten Ärzte hintan. In den letzten Jahren gingen fast alle Chefarztstellen in den gynäkologischen Abteilungen an katholische Ärzte, die hervorragend in Seilschaften organisiert sind. Wer bei denen was werden will, weiß genau, dass er sich besser in die Front der Gewissensverweigerer einreiht. Unter den Hunderten Gynäkologiechefärzten in ganz Italien finden wir nicht mal zehn aus dem Lager der Abtreibungswilligen."
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Stichwörter: Abtreibung, Italien, Krankenhaus

Geschichte

Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Stefan Reinecke trifft für die taz den Historiker Herfried Münkler, der Sätze von charakteristscher Kälte fallen lässt, die die Menschheit als Versuchskaninchen im welthistorischen Labor des Herrn Professors erscheinen lässt: "Die Reduzierung der Bevölkerung ist ein Kollateraleffekt des Kriegs, nicht das Ziel. Aber systemisch betrachtet kann man Kriege als Form der demografischen Anpassung an die Ressourcen beschreiben. Es gab auch eine Überbevölkerung."
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Gesellschaft

Anne-Louis Girodet (1767-1824): Jean-Baptiste Belley, Abgeordneter von Santo Domingo, ca. 1797. Musée de l´Histoire de France, © RMN/Gérard Blot

"Die Menschheit unterschied immer zwischen denen und uns", konstatiert Arno Widmann in der Berliner Zeitung nach seinem Besuch der Ausstellung "Rassismus - Die Erfindung von Menschenrassen" im Dresdner Hygiene-Museum. Die Konstruktion der "Rasse" ist dabei ein Hilfsmittel - das allerdings leicht versagt, sobald es persönlich wird: "Wie bei anderen Konstruktionen hat die Menschheit immer wieder versucht, auch die Rassenidee in eine Rassenwirklichkeit zu verwandeln. Das scheiterte immer. Kein Wunder, denn die 'natürliche Zuchtwahl' ist eine persönliche. Das Ich rennt der Rasse davon. Hinüber zum Fremden. Der blonde Pykniker träumt von der dunkelgelockten zarten Elfe. Wenn er Glück hat, gelingt es ihm, diese Idee in eine Wirklichkeit zu verwandeln."

Die Meldung von den korrupten Praktiken in der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), wo Flchtlinge sich einen Status gewissermaßen erkaufen konnten, ist so ungefähr das Schlimmste, was der deutschen Flüchtlingsdebatte passieren konnte, meint Johanna Roth in der taz: "Umso wichtiger ist die Aufklärung der Frage, wie das Ganze überhaupt so lange betrieben werden konnte. Dass außer der AfD bisher nur die FDP einen Untersuchungsausschuss fordert, ist bedauerlich. Nicht zuletzt diskreditiert die Affäre auch viele Bamf-Mitarbeiter, die im täglichen Spagat zwischen Einzelschicksalen und migrationspolitischen Vorgaben einen sehr wichtigen Job machen."

(Via mena-watch.com) Jeremy Corbyn wollte im Jahr 2010 verhindern, dass Israel am European Song Contest teilnimmt, meldete die Jüdische Allgemeine bereits vor Pfingsten: "Da kein anderer Abgeordneter den Vorstoß unterstützte, wurde Corbyns Initiative im Juni 2010 vertagt." In der taz meldet Jens Uthoff, dass es beim Berliner Pop-Kultur-Festival im August weitere Absagen auf Druck der Israel-Boykott-Kampagne BDS gibt.

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