Efeu - Die Kulturrundschau
Kein Drache! Nirgends. Skandal!
Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
Bühne
Besprochen werden außerdem Ivo van Hoves Inszenierung von Marieluise Fleißers "Ingolstadt" bei den Salzburger Festspielen (FR), Blanca Lis Tanzstück "Le Bal de Paris" (SZ) und ein "Lohengrin" für Kinder ist in Bayreuth (bei dem sich FAZ-Kritiker Jan Brachmann prächtig amüsiert hat).
Architektur

Außerdem: In der taz schreibt Jochen Becker den Nachruf auf den belgischen Architekten Lucien Kroll.
Kunst


Besprochen werden außerdem die Ausstellung "Dissonance. Platform Germany" im Berliner Künstlerhaus Bethanien (BlZ), Ausstellungsstücke aus dem St. Pauli Museum des Fotografen Günter Zint im Museum Lüneburg (taz) und eine Ausstellung des Comiczeichners Chris Ware in der Bibliothek des Centre Pompidou (FAZ).
Literatur
Weiteres: Für die Zeit spricht Katrin Hörnlein mit der Autorin Angeline Boulley, die im Alter von 55 Jahren mit einen für Jugendliche verfassten Thriller ihr Debüt vorgelegt hat, in dem sie besonders auf die Lage der indigenen Bevölkerung der USA blickt.
Besprochen werden unter anderem Patrick Modianos "Unterwegs nach Chevreuse" und Georges Perecs "Lieux" (NZZ), Verena Roßbachers "Mon Chéri und unsere demolierten Seelen" (SZ), Wlada Kolosowas "Der Hausmann" (BLZ) und Maria Edgeworths nach 220 Jahren erstmals auf Deutsch vorliegender Roman "Belinda" (FAZ).
Film
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Der neue "Batgirl"-Film hat den Produzenten bei Warner offenbar so gut gefallen, dass sie ihn ganz für sich alleine behalten wollen. Der für irgendwas zwischen 70 und 90 Milionen Dollar bereits abgedrehte und nahezu fertig produzierte Film soll weder im Kino, noch auf Streamingplattformen zu sehen sein. "Laut Warner Brothers lag es nicht an der Qualität des Films, sondern am fehlenden strategischen Platz dafür", weiß Kathleen Hildebrand in der SZ mutmaßlich nach der Lektüre dieses Variety-Artikels. Man wolle "weg von der Priorisierung des Streamings und zurück zu prestigeträchtigen Blockbuster-Filmen, die im Kino gezeigt werden. 'Batgirl' allerdings wurde in strategisch anderen Zeiten geplant, als Warner exklusive Filme für seinen Streaming-Dienst HBO Max wollte. Auf kleine Bildschirme angelegt, kann er in puncto Spektakel wohl nicht mit den ganz großen Filmen mithalten. ... Zu klein fürs Kino, zu groß fürs Streaming." Die New York Post allerdings hat von miserablen Testvorführungen erfahren, die womöglich doch ausschlaggebender für diese Entscheidung gewesen sein dürften. Dass der Film irgendwann doch noch einmal ans Tageslicht kommen wird, kann sich Gerrit Bartels vom Tagesspiegel gut vorstellen: "Künstlerische Projekte wie diese, die unvollendet sind, verschwinden oder zensiert werden, von wem auch immer, wecken Begierden und bekommen eine ganz eigene Aura."
Gar nicht wohl wird David Steinitz von der SZ bei dem Ausblick darauf, dass im kommenden Herbst mit Amazons "The Rings of Power" (aus dem Tolkien-Universum) und HBOs "House of the Dragon" (aus dem "Game of Thrones"-Universum) gleich zwei Prestige-Blockbuster-Serien aus dem Fantasy-Genre mit völlig irrwitzigen Budgets ins Rennen um die Publikumsgunst gehen: Im Goldenen Zeitalter der Serien herrscht Abendstimmung, findet er. Noch vor kurzem "verordnete sich fast jeder Streamingdienst und jeder Sender eine Originalitätspflicht." Doch im jetzigen Szenario "klingt alles nicht mehr nach Innovation, sondern nach Copy-and-paste. Und damit nach dem Hollywoodkino der Gegenwart, wo Filme schon lange keine Kunst mehr sind, sondern 'content'. Kunst verunsichert Aktionärsnerven. 'Content' beruhigt Aktionärsnerven - zumal wenn er auf bereits existierendem 'content' beruht." Und dann hat man auch noch No-Names für die Arbeit verpflichtet: "Das macht man eher nicht, wenn man seinen Künstlern die Freiheit geben will, sich auszutoben, sondern wenn man sie an der kurzen Leine halten will."
Außerdem: In der SZ plaudert Tobias Kniebe mit den Produzenten Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann, die gerade mit der Serie "King of Stonks" und der Komödie "Buba" auf Netflix durchstarten. Arno Widmann (FR) und Sarah Pines (NZZ) erinnern an Marilyn Monroe, die vor 60 Jahren gestorben ist. Andreas Busche erzählt im Tagesspiegel von seinem Treffen mit dem Schauspieler Brian Tyree Henry, der in der Actionkomödie "Bullet Train" als Widersacher von Brad Pitt zu sehen ist.
Besprochen werden die Actionkomödie "Bullet Train" mit Brad Pitt nach dem gleichnamigen Roman von Kotaro Isaka (FR, taz), Kiyoshi Kurosawas "To the Ends of the Earth" (Perlentaucher), Vincent Maël Cardonas "Die Magnetischen" (Perlentaucher), Régis Roinsards gleichnamige Verfilmung von Olivier Bourdeauts Roman "Warten auf Bojangles" (taz), die DVD-Ausgabe von Dario Argentos "Dark Glasses" (taz, unsere Kritik hier) und die Netflix-Komödie "Buba" mit Bjarne Mädel (SZ, FAZ, ZeitOnline). Außerdem informiert uns die SZ, welche Filme sich in dieser Woche wirklich lohnen und welche nicht.
Musik
In Haapsalu an der estnischen Ostseeküste, wo einst schon Tschaikowksy Urlaub machte, macht FAZ-Kritiker Max Nyffeler beim Festival für Barockmusik Urlaub vom skandalgeprägten Festivalbetrieb westeuropäischer Façon: Hier geht es auch ohne die "obligate Begleitmusik von MeToo-Klagen, Angriffen theoriebewehrter Kunstbanausen auf die Hochkultur und unersprießliche Sponsorendiskussionen. ... Dass die zeitgeistigen Aufregungen ausbleiben, liegt wohl daran, dass man hier nicht mit dem Musikbusiness verfilzt ist und, in Reichweite russischer Kurzstreckenraketen, weiß, dass es wichtigere Themen als Wokeness gibt." So "ließen im Schlusskonzert mit dem englischen Vokalensemble Tenebrae Consort die Klagelieder des Jeremias des Renaissancekomponisten Thomas Tallis über die verwüstete Stadt Jerusalem unwillkürlich an gegenwärtiges Geschehen denken. Die Halle der festungsähnlichen Domkirche aus dem dreizehnten Jahrhundert war der ideale Resonanzraum für die gewaltige Komposition, die mit nur fünf Solisten zu größtmöglicher Wirkung gebracht wurde."
Außerdem: Michael Stallknecht überlegt in der SZ, wie man mit Apps und ähnlichem ein junges Publikum fürs klassische Konzert und die Oper begeistern könnte - einen guten Anfang macht seiner Meinung nach schon mal das Münchner Nationaltheater, das seine Stufen vor dem Haus zum sommerabendlichen Treffpunkt mit Bewirtschaftung umgewidmet hat. Frederik Hanssen wirft für den Tagesspiegel einen Blick hinter die Kulissen des Berliner Festivals "Young Euro Classic". Christian Schachinger freut sich im Standard auf ein Konzert von Mdou Moctar.
Besprochen werden Leonhard Hieronymis Buch "Trance" über die Frühgeschichte der Frankfurter Clubkultur (taz), die Memoiren des Musikproduzenten Chris Blackwell (NZZ), Iso Camartins Buch "Warum Johann Sebastian Bach keine Oper schrieb" (online nachgereicht von der FAZ), das Berliner Konzert der Rolling Stones (Tsp) und das neue Beyoncé-Album (Pitchfork, mehr dazu bereits hier und dort).