Efeu - Die Kulturrundschau

Es wird big

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21.01.2023. Die Leerräumung der Museen in Cherson durch die russischen Besatzer ist auch der Versuch, russische Imperialgeschichte wiederzubeleben, vermutet der Standard. Die FAZ blickt derweil fassungslos auf Hochglanz-Kitsch im russischen Wagner-Zentrum. Auf den Plätzen von Kirchen, Kinos und Bankfilialen in Großstädten könnten bald Handwerkerhöfe und vertikale Farmen stehen, glaubt die SZ. Die FAS hat die Nase voll von den Seilschaften im Branchenverband Deutsche Filmakademie. Und alle trauern um David Crosby, den unausstehlichen Waffennarr mit der engelhaften Stimme, wie die SZ schreibt.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 21.01.2023 finden Sie hier

Kunst

Bild: Leiko Ikemura: "Usagi Kannon" Foto: Enric Duch. 

Zart, zerbrechlich, aber auch unheimlich erscheinen Katrin Bettina Müller in der taz die Skulpturen der japanisch-schweizerischen Malerin und Bildhauerin Leiko Ikemura, die derzeit in der Ausstellung "Witty Witches" im Berliner Kolbe-Museum zu sehen sind: "Das wird besonders in einer Serie liegender Mädchenfiguren deutlich, aus den neunziger Jahren, von denen einige in einem Raum auf runden Scheiben liegen. Die Liegende ist in der Kunstgeschichte oft mit dem männlichen Blick auf die Frau verbunden; darauf zu antworten, ist auch ein feministisches Projekt. Es ist verblüffend, dass die Skulpturen als Mädchen erkennbar sind, an der Schwelle zum Erwachsenwerden, in einer Phase der Transformation, der Findung der Identität und Sexualität. Verblüffend, weil sie zugleich unheimlich sind, etwa in der Geste, die Hände der aufgestützten Arme in die Augen zu bohren. Oder kopflos dazuliegen, den Kopf neben den gehobenen Rocksaum geschoben. Das Leben dieser Mädchenwesen ist voller Gefahren und Risiko, Provokation ist ihnen nicht fern, womöglich auch Angst und Lust und beides zusammen."

Die russischen Besatzer verwüsteten und räumten in Cherson vor ihrem Abzug das Regionalmuseum, das Regionalarchiv und das Kunstmuseum, die Indizien sprechen für einen "mächtigen Auftraggeber", schreibt Herwig G. Höller im Standard: "Auffällig ist aber auch, dass aus anderen vorübergehend von Russland besetzten Regionen der Ukraine derartige Leerräumungen bisher nicht bekannt wurden. Ein ideologisches Motiv liegt daher nahe: Cherson spielte als Zentrum des damaligen 'Neurussland' eine zentrale Rolle in der russischen Imperialgeschichte, an deren Wiederbelebung Putin interessiert ist. 'Die Russen wollen zeigen, dass vor Ort alles im späten 18. Jahrhundert mit Kaiserin Katharina angefangen hätte', erklärte Regionalmuseumsdirektorin Hontscharowa. Denn gerade ihre geraubte Dauerausstellung habe gezeigt, dass viele Völker in der Region gelebt haben und von einem bloß russischen Territorium keine Rede sein könne."

Am Rand von Petersburg werden im "Wagner-Zentrum", einem Bürokomplex von Jewgenij Prigoschin, Gründer und Finanzier der Gruppe Wagner, aktuell Bilder des russischen Malers Alexej Tschischow, die unter anderem amerikanische Soldaten in Mohnfeldern zeigen, ausgestellt, berichtet der ukrainische Kunsthistoriker Konstantin Akinscha in der FAZ, verwirrt über die "Absurdität des Unterfangens": "Warum sich die Wagner-Gruppe entschieden hat, kitschige Hochglanzbilder mit postmodernem Touch anstelle realistischer patriotischer Pastiches auszustellen, bleibt unklar. Es sieht so aus, als wolle Prigoschin nicht nur auf dem Schlachtfeld im Donbass ein Monopol haben und mit den offiziellen russischen Streitkräften konkurrieren. Auch das Feld der Kultur verlockt ihn. Die Schau im Wagner-Zentrum zeigt auch, dass die neue russische Hurra-Kultur nicht nur eingefleischte Konservative anzieht, die sich teils der Kulturfront anschlossen, sondern auch junge 'Dekadente', die mit der Kritischen Theorie spielen."

Außerdem: In der NZZ resümiert Marion Löhndorf die Debatte um die Rückgabe des Parthenon-Frieses (Unser Resümee). Ebenfalls in der NZZ berichtet Philipp Meier von der Art Singapur. In der Welt gratuliert Ulf Poschardt Georg Baselitz zum 85. Geburtstag.

Besprochen werden die Georges-Adéagbo-Ausstellung "À l'école de Ernest Barlach, le sculpteur" im Ernst Barlach Haus in Hamburg (Tagesspiegel) und die Nan-Goldin-Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste (Berliner Zeitung).
Archiv: Kunst

Bühne

Szene aus "Drama". Bild: Thomas Aurin

Der Titel verspricht: "Es wird big". Und es wurde big, versichert Nachtkritikerin Stephanie Drees nach ihrem Besuch in Constanza Macras Volksbühnen-Revue "Drama", die sie durch Mythen und Dramenerzählungen der westlichen Kulturgeschichte, Slapstick und viel Shakespeare-Personal führt, allerdings nicht ohne Kritik am Theater: "Macras dreht mit ihrem Team die ganz große Runde um die Ausbeutung des Ichs. Physisch wie psychisch. Tänzer:innen, die Produktionen mit ihrer Kunst bereichern, werden oft schlechter bezahlt als Schauspieler:innen, nicht-weiße Tänzer:innen schlechter als weiße, Frauen mitunter schlechter als Männer. Der Tanz ist divers, die Branche mitunter knallhart-patriarchal."

"Nichts folgt auseinander, alles geschieht gleichzeitig, wenn man nicht hier und da ein kleines Erinnerungsecho in seinem bildungsbürgerlichen Hirnkasten vernehmen würde, hätte man keine Chance auf Orientierung", warnt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung - nicht ohne Verzückung: "Es gibt die Daily-Soap-Roboter, die zu atmender Elektromusik von Robert Lippok durch Eifersuchtskonstellationen rattern, Playmobil-Sequenzen mit Mord und Totschlag, Musicaleinlagen, frontales Revuegeschmetter, mit ordentlich Schmachtsaft gesungen und live begleitet von Katrin Schüler-Springorum und Lucas Sofia, viel schönem Sport, ein paar Kolonialismus- und Machtmissbrauchsreflexionen, zwischendurch auch den Zusammenschnitt von mindestens 30 Versionen von Amy Macdonalds Superhit 'This Is The Life', gecovert und ins Netz gestellt von ihren Fans - pubertierenden Mädchen, selbsternannten Spaßvögeln, potenten Heavy-Metal-Jungs, warmherzigen Barden, traditionsfesten Mariachis, kokaindurchpumpten DJs." Und im Tagesspiegel resümiert Rüdiger Schaper: "Zwei Stunden und fünfzehn Minuten, das zieht sich. Aber dieses Stück macht keine schlechte Laune. Und das ist viel."

Außerdem: Das Burgtheater wird Schadensersatzforderungen gegen seinen entlassenen Schauspieler Florian Teichtmeister, der wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagt ist, erheben, meldet der Standard.

Besprochen werden Heinz Kreidls Inszenierung von Molières "Menschenfeind" im Frankfurter Fritz Rémond Theater (FR), Milena Baischs Inszenierung "Zum Glück viel Geburtstag" am Berliner Grips-Theater (Berliner Zeitung), Emre Akals "Nachkommen - Ein lautes Schweigen!" am Theater Münster (nachtkritik), Jan-Christoph Gockels Inszenierung "Das Reich: Hospital der Geister" nach der Fernsehserie von Lars von Trier am Schauspielhaus Graz (nachtkritik), Barbara Bürks Inszenierung "Life Is But A Dream" nach Fjodor Dostojewskis "Onkelchens Traum" am Schauspielhaus Frankfurt (nachtkritik) und Ulrich Rasches Büchner-Inszenierung "Leonce und Lena" am Deutschen Theater Berlin (nachtkritik).
Archiv: Bühne

Architektur

Wehmütig blickt Gerhard Matzig in der SZ auf die postpandemische Stadt, in dem Fall München, wo zunehmend alteingesessene Läden schließen und Straßen zu No-go-Areas verkommen. Aber es eröffnet sich auch eine große Freiheit, die Stadt neu zu denken, so Matzig weiter, der in eine von der Bosch-Stiftung ermöglichte Studie zu "Raumpotentialen" in Großstädten geblickt hat: "Ins Minus geraten in Hamburg der Studie zufolge die Parkhäuser (der Bedarf sinkt bis 2030 um zehn Prozent), die Kauf- und Warenhäuser (minus 13 Prozent), der stationäre Einzelhandel (minus 14 Prozent) und Bankfilialen (minus 42 Prozent). Leider gibt es auch für Kinos schlechte Nachrichten (minus 41 Prozent) sowie für Gemeindehäuser und Kirchen (jeweils minus zwölf Prozent). Wem man außerdem hinterherweint: den Mikrouniversen der Tankstellen (minus 33 Prozent). (…) Sie präsentieren weiteren 'perspektivischen Bedarf'. Zum Beispiel Handwerkerhöfe, E-Ladestationen, Mobilitäts-Hubs, interkonfessionelle Räumlichkeiten, urbane Energieproduktionen, vertikale Farmen, Gründerzentren, Serverparks …"

Den Plan von Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey, das ICC als Kulturstandort nach dem Vorbild des Pariser Centre Pompidou zu gestalten, begrüßt der Dramaturg Thomas Oberender in der Berliner Zeitung. Nur wie genau soll das aussehen? "Ein Betreiberkonzept, das auf dem Prinzip der Private-Public-Partnership beruht, würde bei dem Versuch, dieses Haus wiederzubeleben, dem Land Berlin wichtige Spielräume erhalten. Denn das eigene Haus zu verkaufen, aber vorher noch zu bestimmen, wie später darin gewohnt wird, ist eine schwierige Sache. Vielleicht gibt es irgendwo auf der Welt den großen Oligarchen oder Unternehmer, der mit dem ICC ein Statement abgeben möchte? Realistischer als Privatinvestoren sind jedoch internationale Immobilienentwickler; aber wenn solche Hunderte Millionen Euro investieren, wird das einen anderen Kulturbegriff fördern als jenen, zu dem sich Franziska Giffey oder Senator Schwarz bekennen. Wenn Berlins Bürgermeisterin das Centre Pompidou in Paris als eine Referenz anführt, ist das sympathisch. Doch das Centre Pompidou ist keine privatwirtschaftliche Institution, sondern ein politisches Projekt, ähnlich wie das Humboldt-Forum und hoffentlich auch das zukünftige ICC."

Außerdem: In der FAS portätiert Niklas Maak den Hamburger Architekten Cäsar Pinnau, im Krieg Hitlers Chefdekorateur, nach dem Krieg nicht nur Hausarchitekt von Rudolf-August Oetker. In den Siebzigerjahren hat sich auch ehemalige Herausgeber der FAZ, Joachim Fest - "als einer der wenigen privaten Auftraggeber außerhalb Hamburgs überhaupt - bei Frankfurt sein Privathaus von Cäsar Pinnau bauen lassen, eine etwas kuriose Villa mit überdimensionierten Freitreppen, die an einen steinernen Hummer erinnert, der mit zwei sehr großen Zangen auf Beute wartet. Das Haus ist ein Rätsel des bundesrepublikanischen Konservativismus und der bürgerlichen Selbstinszenierung."

Besprochen wird die erste Einzelausstellung des Koolhaas-Schülers Ole Scheeren "Spaces of Life" im ZKM Karlsruhe (FAZ).
Archiv: Architektur

Film

Beim von der Branchenverband Deutsche Filmakademie vergebenen Deutschen Filmpreis, dessen Vorauswahl für dieses Jahr gerade bekannt gegeben wurde, werden selten die besten Filme, sondern meist doch nur "der netteste oder anständigste Film" ausgezeichnet, muss Andreas Kilb in der FAS feststellen. "Und unter denen, die nichts oder wenig gewinnen, sind auffällig häufig zwei Regisseure, die aus ihrem Misstrauen gegenüber der Akademie und dem in deutschen Filmen vorherrschenden Fernsehrealismus nie ein Hehl gemacht haben: Dominik Graf und Christian Petzold. Im europäischen Kino haben beide einen großen Namen. Eine Filmpreisjury alten Stils hätte es nicht gewagt, ihre Arbeiten zu ignorieren. ... Der Mantel der Unparteilichkeit, den der Preis sich umhängt, ist durch Seilschaften, Geschäftsinteressen, Sympathien und Animositäten ebenso durchlöchert wie der jeder anderen Auszeichnung eines deutschen Branchenverbands. Deshalb sollte er, wenn seine Regularien nicht geändert werden, wenigstens einen neuen Namen bekommen."

Außerdem: Kurt Sagatz zieht im Tagesspiegel seinen Hut vor Netflix-Gründer Reed Hastings, der seinen Chefsessel räumt und nun Verwaltungsratsvorsitzender der Online-Videothek wird. Alec Baldwin wird sich wegen der unabsichtlich von ihm bei einem Dreh erschossenen Kamerafrau nun vor Gericht verantworten müssen, meldet David Steinitz in der SZ. Jim Jarmusch wird 70 - Sofia Glasl (SZ) und Andreas Kilb (FAZ) gratulieren. In der FAS trauert der ukrainische Schriftsteller Oleksandr Mykhed um seinen Freund Viktor Onysko, der zahlreiche ukrainische Publikumsfilme geschnitten hat und kurz vor Jahreswechsel im Krieg gefallen ist.

Besprochen werden Kida Khodr Ramadans ARD-Gangsterserie "Asbest" (ZeitOnline), Damien Chazelles "Hollywood Babylon" (NZZ, unsere Kritik), Elwira Niewieras und Piotr Rogolowskis Dokumentarfilm "Das Hamlet-Syndrom" (Tsp, mehr dazu hier) und die Serie "The Last of Us" (taz).
Archiv: Film

Literatur

Auffallend viele Titel der kommenden Saison zeigen auf ihrem Umschlag schwimmende Leute in Freiluftgewässern, stellt FAZler Andreas Platthaus beim Durchblättern der Verlagsvorschauen fest. Dass die Motivwahl nicht in jedem Fall zwingend durch den Inhalt gedeckt ist, macht die Sache nur noch rätselhafter. Woran liegt es also? "Weil es einmal einen sehr erfolgreichen Roman gab, der ein Schwimmerinnentitelbild hatte: Daniela Kriens 'Die Liebe im Ernstfall', erschienen 2019 und seitdem mehrere Hunderttausend Mal verkauft. Selbst die ausländischen Verlage übernahmen für ihre Übersetzungen dessen markantes Titelbild mit einer Frau im Badeanzug auf einem Sprungturm, die dort an der Brettnase steht. Der Diogenes Verlag verriet damit eine Spürnase: Wird sie springen? Kriens Roman verliert kein Wort dazu, nirgendwo darin ist Schwimmen Thema, das Titelbild bot allegorische Bebilderung, die beim Publikum einen Nerv traf. Es gab vereinzelte Kopierversuche, aber erst jetzt setzt die Flut von Schwimmumschlägen ein. Man könnte sagen: Nach vier Jahren ist Daniela Kriens Springerin endlich im Wasser angekommen und schwimmt sich frei."

Für die WamS verbringt Richard Kämmerlings einen Tag mit Ursula Krechel in deren Wohnung in Berlin und im umgebenden Kiez. Und staunt über die Disziplin der Schriftstellerin, deren Leben kein Frühstück und kein Mittagessen kennt, wohl aber eine große Kanne Tee zum Morgen und sehr viel Arbeit am Material in zwei großen Schichten pro Tag: "Nach dem Abendessen, gegen zehn, beginnt für Krechel die zweite Arbeitsrunde, die gern noch mal bis zwei Uhr nachts gehen kann. 'Ich verstehe die Autoren nicht, die angeblich nur zwei Stunden täglich arbeiten.' Kechel vertritt eine eigene Poetik der Früh- und Spätschicht: 'Abends erfinde ich eher, bin mutiger. Morgens kommt der kritische Blick, der mit sagt: Das machen wir aber nicht, das war zu spontan gestern.'"

Außerdem: Juli Zeh und Simon Urban sprechen in der NZZ über ihren gemeinsamen Roman "Zwischen Welten", den sie geschrieben haben, weil sie laut Zeh bemerkt hatten, "dass die Sprachlosigkeit zwischen unterschiedlichen politischen Lagern wächst und die Aggressionen zunehmen". In der NZZ setzt Sergei Gerasimow sein Kriegstagebuch aus Charkiw fort. Fürs Literaturfeature vom Dlf Kultur wirft Silke Merten einen Blick auf die Darstellung von Auschwitz im Comic - von Art Spiegelmans Klassiker "Maus" bis zu neueren Werken wie Barbara Yelins "Irmina", Dietmar Reinhards "Leben und Sterben in Auschwitz" und Boris Golzios "Die Geschichte von Francine R.".

Besprochen werden unter anderem Wilhelm Genazinos "Der Traum des Beobachters" (taz, FR), Javier Marías' "Tomás Nevinson" (ZeitOnline), Franziska Thun-Hohensteins "Das Leben schreiben. Warlam Schalamow: Biographie und Poetik" (Freitag), Ottessa Moshfeghs "Lapvona" (SZ) und die Werkausgabe von Hermann Borchardt (FAZ).
Archiv: Literatur

Musik

Die Feuilletons trauern um David Crosby. Über die Toten nur Gutes? "Er war absolut unausstehlich, sexbesessen, drogen- und geltungssüchtig, ein Egoist und Waffennarr", schreibt Willi Winkler in der SZ, "aber wenn David Crosby mit dieser engelhaften Stimme sang, tat sich der Himmel auf". Er "verkörperte wie sonst keiner das Glück und die Katastrophen, die nur in der Musik so eng verschwistert sind." Auch Edo Reents spricht in der FAZ von Triumphen und Niederlagen: Chef einer Hippie-Band sein wollen? "Diesen Widerspruch hat unter den Rockmusikern der klassischen Ära wohl niemand so heftig durchlebt und durchlitten wie David Crosby. ... Er war maßgebliches Mitglied bei zwei Bands, die beide als die amerikanischen Beatles galten: bei den Byrds und bei Crosby, Stills, Nash (& Young). Erstere schmissen ihn raus, weil Disziplin und Verschwiegenheit nicht zu seinen Stärken zählten; bei letzteren war der Part eines primus inter pares gar nicht vorgesehen, jedenfalls nicht für ihn, den Erstgenannten und Ältesten. Aber allein wegen dieser Mitgliedschaften kann er für sich in Anspruch nehmen, den Folk-, den Country- und den Psychedelic Rock miterfunden zu haben. David Crosby war, in seinem Hedonismus und in seiner Aufsässigkeit, die schlechthinnige Verkörperung des Hippie-Rockers" und "er war 'stardust', und er war 'golden', wie es seine Freundin Joni Mitchell in ihrem Song 'Woodstock' so selbstgewiss schrieb, talentiert und gefährdet."



Mit diesem Tod "geht ein großes Kapitel der bis heute nachwirkenden Popgeschichte der 60er- und 70er-Jahre zu Ende", schreibt Harry Nutt in der Berliner Zeitung. "Crosby ist ein gestrauchelter Engel, der der Welt, in der man Musik mit Gesang liebt, großartige Melodien geschenkt hat. Als Songschreiber kann er immerhin auf das harmonisch-getragene 'Guinnevere' verweisen, sehr viel rockiger kamen 'Almost Cut My Hair' und 'Wooden Ships' daher. Trotz der immer wieder aus ihm herausbrechenden Gehässigkeiten war David Crosby auch ein großer Bewunderer. Als Songschreiberin, so befand er, sei Joni Mitchell die Größte." Weitere Nachrufe schreiben Julian Weber (taz), Eric Facon (NZZ), Christian Schröder (Tsp) und Michael Pilz (Welt). Und: Arte hat die Doku "Remember My Name" wieder online gestellt.



Weitere Artikel: Rapperin Lena Stoehrfaktor plaudert in der taz unter anderem über die Frustrationen der Gegenwart. Nicht jede Tradition in der Klassik ist es wert, dass man sie kappt, findet Frederik Hanssen im Tagesspiegel. Rockstars sterben immer seltener mit 27, kommentiert Nadine Lange im Tagesspiegel. In der taz freut sich Cem-Odos Güler auf die Deutschlandkonzerte des Istanbuler Trios Lalalar.



Besprochen werden Måneskins neues Album "Rush" (ZeitOnline), "B-Sides, Demos & Rarities" von PJ Harvey (Jungle World) und ein Konzert des britischen A-cappella-Ensembles Voces8 in Berlin (Tsp).
Archiv: Musik