Efeu - Die Kulturrundschau

Sie haben alle unrecht

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20.08.2022. Auf ZeitOnline begrüßt Wolfgang Ullrich, dass die Kunst dem Ende ihrer Autonomie durch die Documenta 15 ein Stück näher kommt und der Pluralisierung Platz macht. Die Welt widerspricht vehement. Der Homo Sovieticus hat nie Widerstand gelernt, seufzt die Fotografin Nanna Heitmann in der taz. Die russische Literaturgeschichte ist auch eine Geschichte der Opposition, meint dagegen der Freitag. Die FAZ sichtet Reaktionen in arabischen Ländern auf den Anschlag auf Salman Rushdie. Die FAS eröffnet die Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag Werner Herzogs mit einem großen Interview. Und alle trauern um die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 20.08.2022 finden Sie hier

Kunst

Jenseits der Antisemitismus-Debatte macht die Documenta 15 für den Kunstwissenschaftler Wolfgang Ullrich in ZeitOnline vor allem eine in westlichen Gesellschaften längst vollzogene "tiefe Spaltung" der Kunstwelt in Autonomisten und Kulturalisten deutlich. Und das birgt einiges an Konfliktpotenzial, so Ullrich, der die "Pluralisierung" durch kulturalisierte Kunst aber durchaus begrüßt: "Momentan mag es noch als schrille Spekulation erscheinen, wenn man prophezeit, dass es neben Kunstvereinen, die wie NGOs organisiert sind, andere Kunstvereine geben wird, deren Strukturen eher an alte Studentenverbindungen erinnern. Oder dass größere Ausstellungshäuser nicht länger den Anspruch haben werden, das Kunstgeschehen in seiner ganzen Breite zu repräsentieren, sondern ausdrücklich jeweils bestimmte Formen von Kunst nicht mehr zeigen - vielleicht weil sie bestimmten ökologischen Standards nicht genügt oder weil sie zu klassistisch ist. Wurden Differenzen wie die zwischen reich und arm, alternativ und liberal, alt und jung in der Kunstwelt bisher sowohl individuell als auch institutionell gut und gerne überspielt, weil über allem die Kunst in ihrer Autonomie stand, so kann jede prononcierte Eigenheit in Weltanschauung und Habitus fortan zu einem Konflikt führen. Nach und nach könnten sich so alle Polaritäten, die in der Gesellschaft existieren, auch in der Kunstwelt abbilden."

Wie eine Antwort auf den Text erscheint Jakob Hayers heutige Welt-Online-Kritik von Ullrichs aktuellem Buch "Die Kunst nach dem Ende ihrer Autonomie". Hayer wirft Ullrich vor, Kunstfreiheit zur "Verschwörung alter weißer Männer" zu reduzieren, die es zu demontieren gelte: "Für Ullrich soll damit der letzte Rest an Kunstreligiosität endlich entsorgt werden. Umgekehrt könnte man aber gerade in der postautonomen Kunst mit ihren Reliquien der Alltagsreligion, dem Versammlungswahn und den Strategien der Reauratisierung und Romantisierung ein Wiederaufleben des Kultischen sehen."

Im taz-Gespräch mit Thomas Winkler erklärt die Magnum-Fotografin Nanna Heitmann, weshalb sie in Moskau bleibt und warum es in Russland so wenig Widerstand gibt: "Ich glaube, das erklärt sich vor allem mit der Psyche des 'Homo Sovieticus', wie ihn Alexander Sinowjew beschrieb. Der Zerfall der Sowjetunion war quasi eine Revolution, die von selbst kam, für die der Bürger nicht kämpfen musste. So blieben auch alte Gewohnheiten: Anpassung anstatt Widerstand. Der sowjetische Bürger baute sich seine kleine private Welt, in der er nach Möglichkeit nichts mit der Politik zu tun hat, weil er der Überzeugung ist, dass er sowieso nichts ändern kann und nur ein Dummkopf sich in Politik einmische. Die Opposition hat auch den Eindruck, dass sie sowieso viel zu wenige sind, um etwas bewegen zu können. Wie schon gesagt: Es ist fast unmöglich zu wissen, was die Menschen wirklich denken."

Außerdem: Mit Blick auf das zweite antisemitische Wandbild der Gruppe Taring Padi (Unser Resümee), das erst kürzlich entdeckt und von Ruangrupa inzwischen kontextualisiert wurde, fragt sich Frederic Schindler in der Welt, "warum die Kommunikation der Documenta immer erst einsetzt, wenn etwas skandalisiert worden ist. Warum hat das Kuratorenkollektiv nicht selbst mit den betreffenden Stellen und Verbänden kommuniziert, wenn tatsächlich eine mögliche Fehlinterpretation befürchtet wurde?" In der taz stellt Fabian Lehmann die, ob die in den 1950er Jahren in einer psychiatrischen Einrichtung im nigerianischen Abeokuta entstandenen Zeichnungen, die der Sammler Ulli Beyer ins Iwalewahaus der Universität Bayreuth brachte, ebenfalls restituiert werden müssen. In der FAS stellt Laura Helena Wurth die Initiative Communal Artist Sharing Economy (CASE) vor, die eine faire Bezahlung für Künstler fordert: "Neben dem Vorschlag, einen gewissen Teil der Einnahmen von Gruppenausstellungen fair aufzuteilen, arbeiten sie auch an einer Open-Source-Plattform, an der sich jeder beteiligen kann, um neue Systeme zu erfinden, die die klassische Ordnung des Kunstmarktes umgehen."
Archiv: Kunst

Literatur

Lena Bopp sichtet für die FAZ die Reaktionen in arabischen Ländern auf den Anschlag auf Salman Rushdie: Besinnungslos gefeiert wurde die Bluttat im Iran, in den Golfländern gab es hingegen vor allem Agenturmeldungen. "Eine Ausnahme bildeten allerdings die in Saudi-Arabien publizierten Arab News, die die Mitteilung vom sich verbessernden Gesundheitszustand Rushdies zu einem Seitenhieb auf die iranische Regierung nutzte. Diese Nachricht, schrieb der Journalist, mache Hoffnung und mildere den Angriff 'zu einem gescheiterten Versuch des extremistischen iranischen Regimes, das beschuldigt wird, den Terrorismus auf der ganzen Welt zu fördern'. Die Zurückhaltung der arabischen Medien ist nicht überraschend und dürfte vor allem dem Selbstschutz dienen. Eine öffentliche Verurteilung des Angriffs könnte rasch zum Bumerang werden." In New York gaben 16 Schriftstellerinnen und Schriftsteller vor der Public Library eine Solidaritätslesung für Salman Rushdie, berichtet außerdem Andreas Platthaus in der FAZ.

Die NZZ bringt ein letztes Gespräch mit dem 2021 verstorbenen, polnischen Dichter Adam Zagajewski. Geführt hat es der Danziger Schriftsteller Tadeusz Dabrowski - und unter anderem geht es um die polnische Lyrik, die gegenüber Umarmungen durch die Philosophie und zeitgeistigen Strömungen immer relativ immun geblieben ist. "Ich weiß gar nicht, ob es immer noch so ist. Ob diese Haltung nicht inzwischen historisch ist. Mir scheint, dass viele heutige Lyriker philosophische Bücher lesen und ihre Aussagen nach dem gerade geltenden Geschmack ausrichten. ... Sowohl die Dichter als auch die Philosophen stehen vor der Frage nach dem Sinn der Welt. Die Dichter antworten anders, mit dem Konkreten, mit ihrem eigenen Leben." Doch "die Philosophie neigt zur Abstraktion, sie entfernt sich vom unmittelbaren Erleben, für den Dichter ist die Entfernung vom Konkreten und vom Alltag eine tödliche Bedrohung. Ich spüre eine ähnliche Unruhe bei Philosophen wie bei Dichtern, doch es trennen sich ihre Wege, ihre Sprachen weichen stark voneinander ab."

Auf 54books zeichnet Norma Schneider in Reaktion auf Oksana Sabuschkos Pauschalkritik an der russischen Kultur (unser Resümee, Reaktionen auf den Text fassen wir hier und dort zusammen) ein differenzierteres Bild der russischen Literatur: "Die russische Literaturgeschichte ist auch eine Geschichte der Opposition und politischen Verfolgung von Schriftsteller*innen. ... Was die russische Gegenwartsliteratur betrifft, so übt die Mehrheit der Autor*innen, die in Westeuropa bekannt sind, Kritik an der russischen Regierung. Sie schreiben nicht nur die besseren Bücher, sondern 'Oppositionelle*r' dient dem Literaturbetrieb auch als Verkaufsargument. Da ohnehin nur wenige Titel aus dem Russischen übersetzt werden, kann so der verzerrte Eindruck entstehen, die russische Gegenwartsliteratur bestünde vor allem aus Putin-Kritik. Das ist nicht der Fall, kritische Autor*innen sind in Russland in der Minderheit und dort immer stärkeren Repressionen ausgesetzt. Doch der Blick aus dem Westen ist auch auf eine zweite Weise verzerrt: Der Eindruck, die oppositionelle Literatur in Russland bestünde vor allem aus den in Westeuropa bekannten Namen, trügt. Eine Vielzahl von kritischen Stimmen bleibt im Westen ungehört."

Außerdem: Sergei Gerasimow setzt in der NZZ sein Kriegstagebuch aus Charkiw fort. Auch Oxana Matiychuk setzt in der SZ ihr Kriegstagebuch aus der Ukraine fort. In der taz spricht Daniela Dröschner über ihren Roman "Lügen über meine Mutter". Der in Japan lebende Schriftsteller Leopold Federmair meditiert in der NZZ unter den Eindrücken des japanischen Films "Plan 75" von Chie Hayakawa über das gute Sterben. Daniela Strigl erinnert in der NZZ an den Publizisten Walther Rode, der sich seinerzeit mit spitzer Feder gegen die Habsburgermonarchie zur Wehr setzte. In seiner FR-Reihe über ukrainische Literatur empfiehlt Christian Thomas Oleksij Tschupas "Märchen aus meinem Luftschutzkeller" von 2019. Die Literaturwissenschaftler Heiner Boehncke und Hans Sarkowicz erinnern im Literarischen Leben der FAZ an die vor 100 Jahren entstandene, zwischenzeitig in Vergessenheit geratene Vagabundenliteratur von Hans Ostwald, die sie nun in einer gesammelten Ausgabe herausbringen.

Besprochen werden unter anderem Franziska Gänslers Romandebüt "Ewig Sommer" (taz), Mohsin Hamids "Der letzte weiße Mann" (Standard), Wilhelm Lehmanns "Bukolisches Tagebuch" (NZZ), Gesuino Némuss Krimi "Süße Versuchung" (taz), Katja Klengels Comic "Als ich so alt war" (Tsp) und und Lisa Eckharts "Boum" (FAZ, SZ).
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Bühne

Szene aus "Iphigenia". Bild: Krafft Angerer

Nicht ganz auf der Höhe ihrer "Jakobsbücher"-Inszenierung (Unser Resümee) am Hamburger Thalia Theater, aber doch "sinnig und ungeheuer elegant" hat Ewelina Marciniak bei den Salzburger Festspielen die "Iphigenia" als von ihrem Onkel missbrauchte Pianisten inszeniert, notiert Christine Lutz in der SZ. Nur am Ende will der Anspruch Zeitgeist, Mythos und Diskurs zu verbinden, nicht ganz aufgehen, meint sie. Bis dahin aber falte "das großartige Ensemble des Thalia-Theaters das psychologische Familiendrama um Gewalt, Macht, ihren Missbrauch und das Opfer auf, schildert das Dilemma, festzustecken mit Menschen, die einem wohlgesonnen sein sollten und die, so Menelaos, 'immer moralisch handeln müssen'. Iphigenia (die junge Version großartig gespielt von Rosa Thormeyer, die gealterte ebenso von ihrer Mutter Oda Thormeyer) lässt an ihrem Schmerz teilhaben, ohne sich als Opfer zu überhöhen, zeigt ihre Wunden."

Im Standard rauft sich Ronald Pohl dagegen die Haare: Die Figuren des Mythos ähneln den "Vertretern der neuen Mittelschicht aufs Haar", stöhnt er: "Sie halten Ethikvorlesungen (wie Buchautor Agamemnon), wenn sie nicht gerade auf dem Boden ihres Eigenheims gesunde Gurken hobeln oder in blickdichter Unterwäsche herumstolzieren. Dazu leiden sie an sexuellen Binnenspannungen. Dann wälzt sich die schöne Helena (Lisa-Maria Sommerfeld), eine unbändige Nymphomanin mit Mehrgewicht (sic!), auf dem wertigen Naturholzboden der Pernerinsel wie eine rollige Antikenkatze. Iphigenia (Rosa Thormeyer), Titelheldin dieser aufsehenerregend unschlauen Neudeutung des Mythos, vertraut ihre schwere seelische Belastung lieber gleich einem Konzertflügel an: Plink-plink, tropfen die beiden immergleichen Töne in den bürgerlichen Haushalt. Weil sich heutige Dramatikerinnen das antike Verhängnis nicht anders vorzustellen vermöchten denn als MeToo-Fall, haben Joanna Bednarczyk (Autorin) und Ewelina Marciniak (Regisseurin) die Geschichte Iphigenies kleingehackt."

Freundlicher fällt auch Sandra Kegels Urteil in der FAZ nicht aus: Am Ende dieses "vollkommenen Fiaskos" voller "trivialer Psychologisierung" steht für sie die Frage: "Warum hier kein originäres Missbrauchsstück erarbeitet wurde, sondern man sich mit Euripides und Goethe prall gemacht und diese zwecks Bedeutsamkeitszufuhr für die eigene Schmalspuradaption ausgeweidet hat." Und auch Nachtkritiker Reinhard Kriechbaum ärgert sich über einen "elendslangen" Abend: "Familienaufstellung bei den reichlich blasierten Atriden, da hat man wahrhaft zu tun."

Außerdem: Im Standard-Interview mit Margarete Affenzeller überlegt die Regisseurin Barbara Frey, wie die Krise des Theater überwunden werden könnte: "Wir müssen einander besser zuhören. Ich halte die Entgleisungen in der modernen Kommunikation absolut mitverantwortlich für die mangelnde Neugier. Vielleicht ist es Ausdruck einer Zivilisationsmüdigkeit, dass man in allem eine Krise sieht. Schon drei Wochen nach Pandemiebeginn wurde ja das postpandemische Theater ausgerufen."

Besprochen werden Samara Herschs und Lara Thoms' "Please Stand"  und "Waterworks" von Meg Stuart & The Field bei Zürcher Theaterspektakel (nachtkritik) und die Performance "Sonoma" der Kanadierin Daina Ashbee und der katalanischen Kompanie La Veronal beim Berliner Tanz im August (Tagesspiegel).
Archiv: Bühne

Film

Beim von der Stadt finanziell unterstützten Leipziger Festival "globaLE" ist es zu tumultartigen Szenen gekommen, als Aktivisten die Vorführung von Oliver Stones ausgesucht putinfreundlichem Dokumentarfilm "Ukraine on Fire" aus dem Jahr 2016 störten. Ulrike Nimz liefert in der SZ Hintergründe: "Flankiert werden sollte die Vorführung von 'Ukraine on fire' laut Programm durch das Gespräch mit einer Vertreterin des 'Aktionsbündnisses Zukunft Donbass', das humanitäre Hilfe in den Separatistengebieten im Osten der Ukraine leistet. Auf den Social-Media-Kanälen des Vereins findet sich russische Kriegspropaganda. ... Mike Nagler, Organisator und Sprecher der 'GlobaLE', sieht kein Problem darin, in Zeiten, in denen Tausende geflüchtete Ukrainerinnen Schutz in Deutschland und Leipzig suchen, einen Film zu zeigen, der größtenteils die Weltsicht des Kreml übernimmt. Man wolle vielmehr 'einen Raum für kritischen Diskurs bieten'." Wie die Stadt auf die Vorführung reagierte, weiß Othmara Glas in der FAZ: Sie "distanzierte sich am Donnerstagnachmittag von der Filmvorführung. 'Wir unterstützen die Ukraine und unsere Partnerstadt Kiew nach Kräften gegen die brutale russische Aggression', erklärte man über Twitter, schränkte aber ein: 'Gleichwohl achten wir die Freiheit der Kunst und fördern diese. Im Unterschied zu einem autoritären Regime hält eine Demokratie das Zeigen eines Films zweifelhaften Inhalts aus.'"

Am 5. September wird Werner Herzog 80 Jahre alt, am Montag erscheinen seine Memoiren, in den Audiotheken findet sich bereits ein aktuelles Radioporträt des BR und ein vom Dlf erneut online gestelltes Feature über ihn von 2012: Die Herzog-Festspiele sind eröffnet, nicht zuletzt durch Peters Kortes großes Gespräch mit dem Filmemacher, das morgen in der FAS erscheint. Unter anderem geht es um Herzogs Nichtangespasstsein - kann man einen Film wie "Lektionen in Finsternis" heute noch drehen? "Natürlich soll und kann man heute noch so einen Film machen. Kontrovers war damals, dass ich die brennenden Ölquellen in Kuwait, unterlegt mit Wagner-Musik, nicht als politisches Verbrechen dargestellt habe, sondern, fast wie Science-Fiction, als ein Verbrechen gegen die Schöpfung, als eine Welt, die wir nicht mehr als unsere erkennen können, als wäre da ein fremder Planet. Darum ging es. Der Aufschrei auf der Berlinale war riesig. 'Ästhetisierung des Grauens' wurde gebrüllt. Ich sagte damals, das hat Dante auch gemacht und Goya und Hieronymus Bosch. Dann wurde es nur umso wilder. Aber ich wusste, sie haben alle unrecht. Die Vorwürfe lagen im Klima der Zeit, im Trend, und mit dem war ich nie in Einklang, das war öfter ein Problem. Aber das hat mich unbeirrt gelassen."

Daniele Dell'Agli empfiehlt im Perlentaucher Denis Newiaks Studie "Blackout", die sich ganz pragmatisch mit den Katastrophenbeschreibungen dystopischer Filme und Serien befasst. Die meisten von ihnen überspitzen ihr Thema allerdings sosehr, dass Dell'Agli eine Plausibilität vermisst, die Identifikatioen ermöglicht. Denkbar findet er aber, "dass dank zunehmender ökologischer (und energietechnischer) Alphabetisierung und unter dem Druck sich real verdichtender Krisen samt näherrückender tipping points ein gesunder Alarmismus die Lust an der Weltuntergangsfolklore ablöst."

Besprochen werden der "Game of Thrones"-Ableger "House of the Dragon" (Presse, Welt, FAZ), die deutsche Netflix-Serie "Kleo" (Welt) und die Disney-Serie "She-Hulk" (NZZ).
Archiv: Film

Design

Einkaufskataloge gehören mittlerweile zu den bedrohten Tierarten. Nach Ikea und Otto verabschiedet sich nun auch Manufactum vom gedruckten Werbeprospekt in Buchform, muss Johannes Schneider auf ZeitOnline mit sanften Anflügen von Nostalgie feststellen, nur um rasch wieder auf den Boden der Vernunft zurückzufinden: "Nun gewinnt man natürlich mit einer Glorifizierung der glorifizierten Warenwelt keinen Adorno-Gedächtnispreis. Und auch die Verherrlichung des Katalogs als Artefakt der 'guten alten Zeit' im Gegensatz zum uferlosen Onlinekonsum hat etwas Dubioses. ... Der Katalog verdient daher keine Nostalgie, wohl aber der Modus des Katalogblätterns als einer des aufgeschobenen Konsums - manchmal sogar bis zum Verzicht. Und der Vorschlag wäre nun, den Katalog genau dafür beizubehalten: um nur zu gucken. Sollen doch Empfehlungsalgorithmen und Influencerwerbung die Konsumschlagzahl bis zum Infarkt steigern, der Katalog hat eine leuchtende Zukunft als Medium des Nichtkonsums."
Archiv: Design
Stichwörter: Manufactum, Kataloge, Ikea

Musik

Trauer um die Sängerin und Schauspielerin Eva-Maria Hagen: Sicher gab es bekanntere, schreibt Claudius Seidl in der FAZ, "aber es gab keine andere, die so schön und stimmig selbst zur Literatur geworden ist, zur Musik". Seidl spielt damit auf Wolf Biermanns "Nicht sehen - nicht hören - nicht schrein" an, in dem nur eine Person den Sänger retten kann: "Es ist Eva-Marie, auf deren Namen jede der fünf Strophen hinausläuft. ... Als dann die erwachsenere Eva-Maria Hagen ernstere Lieder sang und sich selbst dabei auf der Gitarre begleitete, hörte man natürlich, dass sie, musikalisch und poetisch, aus denselben Quellen wie Wolf Biermann schöpfte - und jetzt, da sie gestorben ist, wird einem erst bewusst, dass man sie längst danach hätte befragen müssen, was dieser Biermann ihr verdankte. Außer dem Anblick ihrer Knie." Weitere Nachrufe schreiben Harry Nutt (FR) und Christian Schröder (Tsp).



Außerdem: Egbert Tholl berichtet in der SZ von der Terezín Sommerakademie. Der Standard plaudert mit Axel Kurth, dem Sänger der Punkband Wizo. Ulrich Gutmair erinnert in der taz an die Frauen-Punkband Östro 430, die sich in den frühen Achtzigern gegenüber den Kerlen ziemlich rotzig behauptet hat. Besprochen wird ein Rockalbum des früheren Disneystars Demi Lovato (ZeitOnline).
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Architektur

Es sind nicht zuletzt die Bauwerke, die Stefan Trinks (FAZ) bei seinem Besuch der Manifesta in Pristina beeindrucken. Der 1977 errichtete Jugend- und Sportpalast, etwa, eine "bizarre realsozialistische Hinterlassenschaft, (…) dessen Dachlandschaft aussieht, als wäre ein französisches Loireschloss mit seinen vielen Dutzend Schornsteinen am Neujahrsabend ins flüssige Blei gefallen und erstarrt, nun mit Leben erfüllt von vielen Künstlern. Stadt- und manifestabeherrschend ist das zentrale Grand Hotel am Mother Theresa Boulevard als bauhausinspirierter Prunkbau mit Travertinbrüstungen, 1978 eröffnet. Es wurde allein für die eine Nacht des Staatsbesuchs Titos errichtet, und noch immer kann man die Präsidentensuite mit dem originalen Interieur, auffällig vielen Spiegeln und getrennten Betten mit Blümchenmuster für Herrn und Frau Tito zu umgerechnet vierzig Euro die Nacht mieten."
Archiv: Architektur
Stichwörter: Manifesta 14, Pristina