Efeu - Die Kulturrundschau

Schweigt, lächelt und lauscht

Die besten Kritiken vom Tage. Wochentags um 9 Uhr, sonnabends um 10 Uhr.
13.05.2023. Auch die Schwarmintelligenz ist lernfähig, konstatieren Tagesspiegel und SZ bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises. Die FAS porträtiert die Leiterin der kommenden Architekturbiennale von Venedig, Lesley Lokko, die Afrikas Rolle in der Welt stärken will. Die FR tastet sich im Städel Museum durch Philipp Fürhofers brennende Spiegelwälder. Die entsetzte FAZ lernt bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen von einer tibetischen Schauspieltruppe, wie chinesische Polizisten foltern. Der Tagesspiegel fragt: Brauchen wir beim Theatertreffen wirklich noch zusätzlich zehn Lektionen in Sachen Responsibility, Solidarity, Herstory, Transfeminist, Diversity, Reflection oder Emptiness? Die taz feiert den Global Pop.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 13.05.2023 finden Sie hier

Film

Szene aus İlker Çataks "Das Lehrerzimmer"


Am Ende kam es doch anders als erwartet: Nicht Edward Bergers "Im Westen nichts Neues" wurde beim Deutschen Filmpreis als bester Film des Jahres ausgezeichnet, sondern İlker Çataks "Das Lehrerzimmer" (unsere Kritik). Auch "beste Regie", "bestes Drehbuch" und "beste Hauptdarstellerin" gingen an diesen Film, dafür erhielt "Im Westen nichts Neues" insgesamt die meisten Auszeichnungen - hier die Ergebnisse des Abends im Überblick. Von einer erstaunlichen Dramaturgie der Preisverleihung spricht Andreas Busche im Tagesspiegel: Denn bis zu den Hauptkategorien deutete nichts auf dieses überraschende Ende hin, auch wenn die Gala "von Beginn an fokussierter als in den Vorjahren wirke, mit niedrigem Peinlichkeitsfaktor und einer schlagfertigen Gastgeberin. ... Umso erfreulicher ist es dann, dass am Ende ein verhältnismäßig kleiner Film wie 'Das Lehrerzimmer' von der Filmakademie gewürdigt wird - wo die Schwarmintelligenz der Akademiemitglieder sich gewöhnlich, gerade bei den Hauptpreisen, um einen Film sammelt." SZ-Kritiker David Steinitz hält die Preis-Entscheidungen für "salomonisch". Hanns-Georg Rodek von der Welt ist sich sicher: Dass ein Netflix-Film wie "Im Westen nichts Neues" am Ende doch nicht in den wichtigsten Kategorien punkten konnte, "ist die Quittung der Mitglieder der Filmakademien für ein Geschäftsmodell, das letztlich auf die Zerstörung des Ortes 'Kino' hinausläuft".

Thomas Abeltshauser unterhält sich für die taz mit Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro, der für Oliver Hermanus' "Living - Einmal wirklich leben" (ein Remake von Akira Kurosawas "Ikiru") das Drehbuch verfasst hat. Das hatte auch persönliche Gründe, sagt er, der als Fünfjähriger aus Japan nach Großbritannien kam: Kurosawas und Ozus Filme "waren das Fenster in meine Kindheit in Japan. 'Ikiru' hinterließ später auf mich als junger Mann einen besonderen Eindruck. Er zeigte mir, wie ich mein Leben als Erwachsener führen sollte, das mir so klein und unbedeutend erschien. 'Ikiru' tut nicht so, wie so viele andere Filme, dass man Spektakuläres schafft und dadurch berühmt wird. Es geht darum zu akzeptieren, wer man ist, und seinen Platz in der Welt zu finden."

Andreas Busche spricht im Tagesspiegel mit Rainer Rother über sechzig Jahre Deutsche Kinemathek. Diese verlässt im Frühjahr 2025 ihr Haus am Potsdamer Platz und wird fürs Erste in einem noch nicht benannten Zwischenquartier Unterkunft finden, erfahren wir. Eine langfristige Lösung auf dem noch unbebauten Gelände gegenüber dem Gropius-Bau ist angedacht. "Das Grundstück gehört schon seit einer Weile dem Bund, allerdings gibt es noch keinen Bebauungsplan. Hier hoffen wir auf Unterstützung durch die Stadt Berlin. Wir gehen mal vorsichtig von etwa zehn Jahren aus."

In der Welt porträtiert Gerd Midding die neue Präsidentin des nächste Woche beginnenden Festivals von Cannes - eine Deutsche! Man kann allerdings nicht sagen, dass es die französischen Medien der ehemaligen Warner-Managerin Iris Knobloch (übrigens Tochter von Charlotte Knobloch) leicht machen: "Die Weltoffenheit, zu der sie in ihrer Familie erzogen wurde, wird ihr von Teilen der in Frankreich chronisch patriotischen Filmbranche durchaus als Malum ausgelegt. Sie werfen ihr eine zu große Nähe zu den Hollywoodstudios vor. Ihr Motto 'Make money, have fun and do some good' klang vielen verdächtig. Dazu gesellte sich ein antideutscher Affekt. Wenn schon eine Präsidentin, dann doch besser eine einheimische!"

Weitere Artikel: Der Regisseur David Wnendt spricht auf ZeitOnline über die aktuelle Machtmissbrauchs-Debatte in der deutschen Filmbranche: "Ich könnte mir nicht erlauben, meinen Oberbeleuchter zu beleidigen. Dann dreht der nämlich seine Lampen aus, und ich stehe am nächsten Tag allein da." Dass mit Mariëtte Rissenbeek (Berlinale) und Diana Iljine (München) gleich zwei Filmfesival-Leiterinnen ihren Posten räumen, lässt Susanne Hermanski in der SZ über die Gründe spekulieren - es wird wohl (auch wenn Rissenbeek bloß altersbedingt in Rente geht) mit dem auch finanziellen Druck zu tun haben, der auf den Festivals lastet, glaubt sie. Die Presse empfiehlt Serien aus Israel.
Archiv: Film

Bühne

Im Tagesspiegel annonciert Patrick Wildermann das Theatertreffen, das heute in Berlin mit Philipp Stölzls Inszenierung "Das Vermächtnis" für das Münchner Residenztheaters eröffnet: zehn Aufführungen aus dem deutschsprachigen Raum, die inzwischen von zehn weiteren "Treffen" umfasst werden. Wozu das gut sein soll? "Die Rede war von 'Austauschformaten', die das Hauptprogramm 'umgarnen, umrahmen und umarmen'. Seltsam bereits. Als handelte es sich bei den ausgewählten Produktionen um linkische Mauerblümchen, die lost neben der Tanzfläche stehen und mal feste gedrückt werden müssen. Diese 'Treffen' tragen Beinamen wie Responsibility, Solidarity, Herstory, Transfeminist, Diversity, Reflection oder Emptiness". Für Wildermann stehen sie vor allem für eins: ein Theater, das offenbar Angst hat vor "der Fiktion als Raum auch des Uneindeutigen".

Szene aus Pah-Lak. Foto © Tibet Theatre


In der FAZ ist Hubert Spiegel noch vollkommen mitgenommen von einer Aufführung bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen: "Pah-Lak" ist ein Stück des indischen Autors Abhishek Majumdar, das von der Tragödie der Tibeter unter chinesischer Herrschaft erzählt. Inszeniert haben Harry Fuhrmann und Lhakpa Tsering, die Schauspieler waren Tibeter. "Pah-Lak" erzählt von einer jungen Nonne, die einen chinesischen Polizisten geschlagen hat, und die fürchterlichen Folgen für ihr Kloster und sie selbst. Bei einem Bühnengespräch nach der Aufführung steht der Mönch und Menschenrechtsaktivist Golog Jigme auf, um über ein Bühnenrequisit zu sprechen: "Dann tritt Jigme an den Folterstuhl, auf dem kurz zuvor die junge Schauspielerin Kalsang Dolma von ihren chinesischen Peinigern fixiert, verhört und gequält worden war. Und nun erläutert der Mönch aus Tibet mit größter Ruhe, auf welche verschiedenen Arten man ihn 2008 während seiner zweimonatigen Inhaftierung unter Verwendung eines solchen Stuhls gefoltert habe, um ihn zu Falschaussagen und Verleumdungen zu zwingen. Das Bühnenrequisit, sagt der Mönch bedächtig, sei zwar recht realistisch, aber das Original sei doch schlimmer gewesen. Dann setzt sich Golog Jigme, einer der Schirmherren der Europa-Tournee von 'Pah-Lak', wieder zu den Ensemblemitgliedern, schaut freundlich ins Publikum, schweigt, lächelt und lauscht."

Weiteres: Jakob Hayner trifft sich für die Welt mit dem Schauspieler Fabian Hinrichs, um über die interessant gescheiterte Premiere seines Stücks "Sardanapal" nach Lord Byron an der Volksbühne zu sprechen.

Besprochen werden Oliver Pys Inszenierung von Camille Saint-Saëns' Oper "Heinrich VIII" an der Brüssler Oper La Monnaie (nmz), Viktor Bodós Adaption von Karl Ove Knausgårds Roman "Der Morgenstern" am Deutschen Schauspielhaus Hamburg ("Ästhetisches Überwältigungstheater", jedoch mit feiner Ensemblearbeit, meint nachtkritikerin Katrin Ullmann), Tuğsal Moğuls "And now Hanau" bei den Ruhrfestspiele Recklinghausen (da könnten die Behörden noch was lernen, meint nachtkritiker Max Florian Kühlem), Lorraine Hansberrys Theaterstück "The Sign in Sidney Brustein's Window" am Broadway (SZ), Wilfried Fiebigs "Monolog einer Zwiebel" nach Neruda im Gallus-Theater (FR) und Petipas Choreografie "Le Corsaire" mit dem Koreanischen Nationalballett (sehenswert, meint in der FR Sylvia Staude, die bemerkt, dass auch die zeitgenössischen Stücke des Repertoires aus dem Westen kommen: "Werfen besorgte Koreanerinnen und Koreaner ihrem Nationalballett vor, kulturelle Aneignung zu betreiben? Oder sind sie stolz, dass man in dieser Kunst mithalten kann?", fragt sie maliziös)
Archiv: Bühne

Kunst

Philipp Fürhofer, Ersatzwelt, 2022. Courtesy of the artist. © Philipp Fürhofer, Foto: Henning Moser


Vom Kreislauf aus Leben und Tod erzählen Philipp Fürhofers "Phantom Inseln" im Städel Museum, notiert Lisa Berins, die sich für die FR durch einen Spiegelwald tastet, der ihr die Auswirkungen des "kapitalistischen Optimierungswahns" auf die Natur deutlich macht: "Vielschichtig sind die Werke schon im formalen Sinne. Fürhofer nutzt Spionspiegel und lässt die Betrachtenden damit in seine Werke treten; bis das Licht die dahinterliegende Ebene sichtbar macht. Dann sind rote, an Blut erinnernde Farbnasen zu erkennen, der Nebel lichtet sich ein wenig, es verschwindet alles und man sieht wieder: sich selbst. ... Das rote Leuchten - es ist kein romantischer Abendhimmel, sondern menschengemachtes Desaster: Waldbrände."

Jack Robinson, die Schauspielerin und Sängerin Melba Moore 1971, Vogue Condé Nast


Freddy Langer amüsiert sich lieber für die FAZ in Francois Pinaults Palazzo Grassi, in der "großartigen" Fotoausstellung "Chronorama" über die Bildsprache des Magazinkonzerns Condé Nast. Die blieb über die Jahrzehnte hinweg erstaunlich konstant, lernt Langner: "Vereinfacht gesprochen, handelte es sich um einen Stil, der nach der Reduzierung der Form strebt, bis hin zu Porträts mit einer gespenstischen Nähe zu den Skulpturen Brancusis, und der einen ernsten Blick verlangt, meistens am Objektiv der Kamera vorbei gerichtet. ... Ausgerechnet der Film 'Blow Up', in dem das Swinging London seinen vollkommenen Ausdruck gefunden hat, der von der entfesselten Modeszene erzählt und in dessen bekanntester Szene sich der Schauspieler David Hemmings während des Fotografierens mit Veruschka über den Boden wälzt, als handelte es sich um einen Geschlechtsverkehr, ausgerechnet aus diesem Film ist der Moment zu sehen, in dem fünf Mannequins wie hypnotisiert in steifen Posen in einen tiefen Schlaf verfallen. Auch Mick Jagger schaut ernst. Und die Beatles sind arrangiert wie eine Skulptur."
Archiv: Kunst

Literatur

Georgi Gospodinov, 2005. Foto: Mrs. Robinson unter cc-Lizenz/Wikipedia
Wir leben in einer Zeit der Fake News und Propaganda, in einer Zeit der Zersplitterung aller Kommunikationskanäle, hält der bulgarische Schriftsteller Georgi Gospodinov in der NZZ fest. Umso wichtiger ist die Rolle, die der Literatur in diesen Zeiten zukommt, meint er: Sie "erscheint mir als ein natürliches Antidot, als Gegengift gegen Fake News." Denn "eine Fiktion ist keine Lüge, sie entwirft eine mögliche Welt, in der komplexe Figuren leben, ihren Weg gehen, glücklich werden oder scheitern, leiden und sterben. Figuren, mit denen wir uns identifizieren, mit denen wir mitfühlen können. Lesend sammeln wir existenzielle Erfahrungen, entwickeln wir ein Verständnis für die Anderen und eine andere Welt." Damit wecke sie "die Fähigkeit zur Empathie. Im heutigen unsichtbaren Krieg gegen Ideologie und Desinformation, in einer gespaltenen Welt, wo die Produktion von Hass und Feindschaft zu einer Industrie geworden ist, kommt der Empathie lebenswichtige Bedeutung zu. Emotionale Intelligenz schlägt soziale Dummheit."

Weitere Artikel: In der NZZ schreibt Sergei Gerasimow weiter Kriegstagebuch in Charkiw. Elena Witzeck berichtet in der FAZ von einem Abend mit Chimamanda Ngozi Adichie in Stuttgart. In Frankfurt stellte Simon Strauß seine Novelle "Zu weit" vor, schreibt Judith von Sternburg in der FR. Der Schriftsteller und Komponist Stefan Bachmann erinnert sich in der NZZ, wie er früher wegen seiner vielfältigen musischen Begabungen als "Wunderkind" bezeichnet wurde und wie ihm das "entmenschlichend" vorkam: Der Begriff "implizierte für mich, dass ich Bücher schrieb oder Musik machte, nicht aus meinen eigenen Gründen, auch nicht dank einem hart erarbeiteten Können, sondern weil es einfach in mir schlummerte und dann irgendwann von selbst sanft hinaus in die Welt glitt". In ihrer von der FAZ dokumentierten Eröffnungsrede zu den Ruhrfestspielen denkt die Schriftstellerin Anne Weber darüber nach, wie wir uns und andere in Rubriken und Förmchen stecken und wie das alles mit den Verstrickungen und Verantwortlichkeiten im Kapitalismus zusammenhängt. Dlf Kultur spricht mit der eben auf der Leipziger Buchmesse ausgezeichneten Übersetzerin Johanna Schwering.


Besprochen werden unter anderem Sabrina Janeschs "Sibir" (taz), das Romandebüt von Tom Hanks (SZ) und der von Dirk von Petersdorff zusammengestellte Band "'Der ewige Brunnen'. Deutsche Gedichte aus zwölf Jahrhunderten" (FAZ). Außerdem sammelt Dlf Kultur hier als PDF seine Rezensionen im Monat Mai.
Archiv: Literatur

Architektur

Lesley Lokko © Foto: Jacopo Salvi. Courtesy La Biennale di Venezia


Niklas Maak porträtiert in der FAS die ghanaisch-schottische Architektin und Schriftstellerin Lesley Lokko, die die Architekturbiennale in Venedig, die nächstes Wochenende eröffnet, leitet. "Auf ihrer Biennale, die unter dem Motto 'The Laboratory of the Future' steht, wird ein deutlicher Schwerpunkt auf Afrikas Rolle in der Welt liegen." Denn Afrika, so Maak, wird von den Europäern oft schändlich unterschätzt: "Kenia etwa ist und war führend bei der 'Agritech', einer digital unterstützten, viel effizienteren Landwirtschaft, bei der etwa einfache Sensoren auf den Äckern Bauern detailliert über nötige Bewässerung informieren und viel Wasser sparen; oder beim bargeldlosen Bezahlsystem Mpesa, dem Zahlen per Mobiltelefon; oder beim weltweit größten und längsten, nämlich über ein Jahrzehnt reichenden Experiment mit bedingungslosem Grundeinkommen. Von all diesen Experimenten kann die Welt viel lernen. 'Dinge werden sichtbar in Afrika, die im globalen Norden eher unsichtbar sind: Konflikte und Lösungen zu den Themen Klimawandel, Ökologie, Datennutzung, neue Modelle von Besitz, Telekommunikation', sagt Lokko."
Archiv: Architektur

Musik

Werner Bloch berichtet in der NZZ von seinen Erlebnissen beim Musikfestival im Coachella Valley, wo sich deutlich über 100.000 Leute einfanden, deren Masse längst das eigentliche Spektakel geworden ist und die Musik auf die niederen Ränge verdrängt hat. Alles in allem bis zu 2000 Dollar darf man hinlegen, wenn man dabei sein will. "Ein Pop-Festival für Besserverdienende? In Europa ist so etwas kaum vorstellbar. Musikalisch wird Coachella seinem Ruf ohnehin nicht mehr gerecht. Immer weniger Stars reisen an, von der Bühne plätschert eher Belangloses." So sind "die meisten Besucher von sich selbst ergriffen. Es wird fotografiert und gepostet, was das Zeug hält. Die Instagram-Diktatur führt Regie. ... Wo Jimi Hendrix einmal seine Gitarre verbrannte, scheint heute das matte Licht des digitalen Zeitalters."

Der taz liegt heute die Weltmusik-Beilage "Global Pop" bei. Jens Uthoff wirft dafür ein Schlaglicht auf die kuratorische Arbeit des portugiesische Labels Discrepant Records, das für seine Veröffentlichungen durch die ganze Welt reist. "Ein Highlight aus jüngerer Zeit ist etwa das Album 'Ends Meet' des Kairoer Produzenten 3phaz. Bei ihm kommt der Mahraganat-Sound - ein Amalgam aus ägyptischem Shaabi und elektronischen Sounds - mit Club-Stilen wie Footwork oder Harddrum zusammen. Die 7 Tracks sind saftig, wuchtig, dicht produziert, von dieser Art Intelligent Dance Music würde man gern mehr hören. Auch das im April erschienene Album des libanesischen Musikers Marc Codsi ('Songs from the aftermath') ist toll, es überzeugt mit oft meditativ-ambientigen Synthesizer-Sounds und flirrenden Klängen. Doch eigentlich lassen sich auch die Unterlabels kaum kategorisieren, auf Souk Records ist etwa der HipHopper Muqata'a aus Ramallah genauso vertreten wie die kolumbianische Band Romperayo mit einem weirden Cumbia-meets-Zappa-Verschnitt. Bei dem Soloprojekt Only Now (alias Kush Arora) kommen gar Black-Metal-Elemente mit elektronischer Musik zusammen."

Aktuelle Veröffentlichungen befassen sich gerade mit Ozeanen und Meeren, etwa diese Compilation:



Mehr aus der Global-Pop-Beilage: Ole Schulz wirft einen Blick auf den sagenhaften Erfolg des puertorikanischen Sängers Bad Bunny. Außerdem arbeitet er sich dank liebevoller Veröffentlichungen (hier und dort) etwa vom verdienstvollen Label Analog Africa durch die Geschichte der lateinamerikanischen Cumbia-Musik. Jens Uthoff porträtiert die aus Kairo stammende Band The Dwarfs Of East Agouza, die Punk, Experimentalmusik und arabische Musik kreuzen. Besprochen werden außerdem Fatoumata Diawaras Album "London Ko", Suarasamas Album "Timeline", die Compilation "Woman, Life, Freedom" mit iranischer Musik und Daniel Haaksmans Album "Sonido Lava".

"Der ESC lebt, und er tut das seit 1956", ruft Jan Feddersen in der taz. Kritik an einer globalisierten Gefälligkeit der Bewerbersongs will er nicht zustimmen: "Empirisch haben die letzten Plätze im Laufe der Jahrzehnte des ESC jene Acts belegt, die nationalfolklorehaft torfig und wie von Verwesungsgeruch behaftet daherträllerten... Der ESC ist jeweils so modern oder mainstreamig oder faszinierend befremdlich, wie es die einzelnen Länder (besser: die dortigen Sender) mit ihren Auswahlverfahren wollen."

Weitere Artikel: Daniela Prugger schreibt in ihrer Reportage für den Standard, wie man in Kiew den Eurovision Song Contest verfolgt. Peter Rehberg durchkämmt für den Freitag den ESC nach politischen Andeutungen. Lion Grote verabschiedet sich im Tagesspiegel von Peter Urban, der heute Abend seinen letzten Eurovision Song Contest kommentieren wird. Marcus Woeller erinnert in der Welt an die Jazzsängerin und Bürgerrechtsaktivistin Nina Simone. Gunda Bartels porträtiert für den Tagesspiegel den britischen Sänger Nick Nuttall, der vor seinem nun mit 65 veröffentlichten Debütalbum Kommunikationschef bei der UN war. Karl Fluch freut sich im Standard auf einen Auftritt von Tex Perkins mit der Fat Rubber Band in Wien. Besprochen werden ein Konzert von Igor Levit im Wiener Musikverein (Standard), ein Auftritt von John Watts (taz) und das neue Album von Feine Sahne Fischfilet (taz).
Archiv: Musik