Efeu - Die Kulturrundschau

Breit und glücklich lächelnd der Kaiser

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22.04.2023. Die SZ verneigt sich in der Kunsthalle Bielefeld vor Yto Barradas subtiler Kritik an der weißen Männerkunst des Westens. In der taz verteidigt die Künstlerin Angela Fette entschieden die Idee einer autonomen Kunst gegen die Kunstvermittler. Die NZZ findet den Kalten Krieg wieder in der Berliner Designausstellung Retrotopia. In der Volksbühne feiert Fabian Hinrichs ein opulentes Bankett als Sardanapel: Die Kritiker staunen, aber auch ein gewisses Völlegefühl stellt sich ein. Und: der filmische Nachwuchs fordert mehr Risikobereitschaft von deutschen Fernsehsendern und Produzenten.
9punkt - Die Debattenrundschau vom 22.04.2023 finden Sie hier

Kunst

Yto Barrada, Tree Identification for Beginners, 2018, film still. © Yto Barrada, courtesy Pace Gallery and Sfeir-Semler Gallery Beirut/Hamburg


Ein ziemlich beeindruckter Till Briegleb trifft sich für die SZ mit der marokkanisch-französischen Künstlerin Yto Barrada in der Kunsthalle Bielefeld, wo sie gerade ausstellt. Sie hat viel zu erzählen, erklärt es aber nicht immer, meint Briegleb und hilft gern: Was die Besucher hier sehen, "ist im Grunde abstrakter Minimalismus in der Tradition der klassischen Moderne. Zum Beispiel Arbeiten, die sich mit den frühen Werken Frank Stellas beschäftigen. Allerdings sind Barradas Reaktionen 'After Stella', die wie Originalarbeiten des amerikanischen Formexperimentators aussehen, von der Straße aufgelesen, vor einer Hauswirtschaftsschule. Stellas helle Linien auf grauem Grund sind Musterblätter, nach denen junge Frauen das Arbeiten mit der Nähmaschine lernen. Die Nadellöcher sind sichtbar. Das ist natürlich ein sehr komplizierter Spott auf den Heroengestus der abstrakten Nachkriegskunst, mit dem so getan wurde, als hätten die Stellas die Kunst neu erfunden. Barrada hat ausgerechnet ihn in ihren Kosmos der subtilen Kritik an der weißen Männerkunst des Westens aufgenommen, weil Stella die Inspirationen für seine Muster in Marokko gefunden haben soll. Und das ist das Land, das im Zentrum von Yto Barradas Kunstsystem liegt."

In der taz verteidigt die Künstlerin Angela Fette entschieden die Vorstellung von einer autonomen Kunst, die von dem Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich bereits verabschiedet wurde. Plötzlich soll's in der Kunst nur noch um Politik und Identität gehen? Das ist  doch nur praktisch für Kunstkritiker: Sie erhalten "schnell zugängliches Textmaterial, aber die intellektuelle Unterkomplexität der benannten Themen, wenn sie auf Kunst übertragen werden, verursacht Unbehagen bis an die Schmerzgrenze. Biologistische und biografische Merkmale der Künstler*innen, die in der Identitätspolitik zum Tragen kommen, sind ja einfach zu verstehen und zu vermitteln: Hautfarbe - check, Alter - check, Nationalität - check, Geschlecht - check, Migrationshintergrund - check. Und schon generiert man Bedeutung, man nimmt an 'bedeutenden Umwälzungen in der Gesellschaft' teil. Die feinfühlige Verarbeitung und Vermittlung des eigentlichen Werkes bleibt dabei oft auf der Strecke ... Lieber mal gucken, ob alles in der Checkliste stimmt, dann kann man sich ein weiteres Befassen mit der eigentlichen Arbeit gleich sparen."

Weitere Artikel: In der FAZ stellt Georg Imdahl die chinesische Künstlerpersona LuYang vor, die gerade in der Kunsthalle Basel ausstellt: Sie "hat an sich selbst die Erfahrung gemacht, dass man durch ein Dasein im World Wide Web 'Identität, Nationalität, Gender und sogar die eigene menschliche Existenz hinter sich lassen kann'. Wer sich hier fragt, ob das in allen Aspekten überhaupt wünschenswert sei, hält offenbar (womöglich ebenso unbewusst wie verzweifelt) an einem tradierten Subjektbegriff fest, der längst und unwiderruflich in Auflösung begriffen ist." Im Tagesspiegel stellt Rita Pokorny den deutsch-britischen Künstler Michael Müller vor, der sich in der St. Matthäus Kirche in Berlin mit Richters Birkenau-Bildern auseinandersetzt. Stefan Trinks gratuliert in der FAZ dem Maler Johannes Heisig zum Siebzigsten. Boris Pofalla besucht für die Welt die Künstlerin Katharina Grosse.

Besprochen werden eine Soloschau des NFT-Künstler Rafaël Rozendaal im Folkwang in Essen (taz), eine Ausstellung des Malers Shannon Finley im Mies-van-der-Rohe-Haus in Hohenschönhausen, Berlin (BlZ), die Ausstellung "Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst" im Potsdamer Museum Barberini (SZ)
Archiv: Kunst

Literatur

Die Moskauerin Maria Stepanova zu Beginn der Buchmesse mit dem Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung auszuzeichnen, ist eine "mutige Entscheidung", findet Helmut Böttiger in der taz. In der Ukraine wird man sie wohl ablehnen, mutmaßt er. Richtig sei diese Auszeichnung dennoch: "Sie rückt eine Schriftstellerin in den Mittelpunkt, die zeigt, dass es auch ein anderes Russland gibt, ein ziviles Russland - das man als Bündnispartner dringend braucht. Es geht nicht nur darum, gegen Putin zu sein, sondern auch um die Dekonstruktion jenes übermächtigen Russlandbilds, das die unmittelbaren Nachbarn dieses Landes wie naturgemäß als Vasallen begreift und die das über Jahrhunderte hinweg auch zu akzeptieren gewohnt waren. Die Entscheidung für die 1972 in Moskau geborene Maria Stepanova ist dabei in erster Linie gar keine politische, sondern eine literarische. Geehrt werden mit ihr die Möglichkeiten von Literatur, die weit über tagespolitische Diskurse hinausreichen können."

Die Solothurner Literaturtage wollen laut einer zweiseitigen Erklärung künftig dafür Sorge tragen, dass bei ihren Veranstaltungen endlich die Menschenrechte gewahrt bleiben, nimmt Thomas Ribi in der NZZ sanft irritiert zur Kenntnis: "Freilich, man kann sich irren. Aber Literaturfestivals werden kaum von Hooligans heimgesucht. Dass sich Martin-Suter-Fans nach einer Lesung am Aareufer mit Alex-Capus-Verehrerinnen prügeln, kommt selten vor. Und von den Literaturtagen ist bisher nicht bekannt geworden, dass Belästigungen und Übergriffe derart überhandgenommen hätten, dass man ihrer ohne Verordnung und Sanktion nicht mehr Herr geworden wäre."

"Ohne Herzblut geht es nicht im Literaturbetrieb", schreibt taz-Literaturredakteur Dirk Knipphals. Entsprechend widmet sich der Gesellschaftsteil der heutigen Ausgabe den Leuten hinter den Kulissen: Jens Uthoff porträtiert Richard Stoiber und Barbara Kalender, die den März-Verlag wiederbelebt haben. Julia Hubernagel hat sich mit Nikola Richter vom Ebook-Verlag Mikrotext getroffen. Außerdem staunt Hubernagel über den Guggolz Verlag und dessen Geschichte: Der Einmannbetrieb kam zu seinem Startkapital, weil der damals überschuldete Verleger Sebastian Guggolz beieinerQuizshow 250.000 Euro absahnte. Und Dominik Baur besucht die Pressesprecherin Christina Knecht vom Hanser-Verlag. Außerdem versucht sich Fabian Stark an einer Typologie der Lesehaltungen.

Weitere Artikel: Mario Vargas Llosa schreibt in der NZZ einen Nachruf auf den im März verstorbenen, chilenischen Schriftsteller Jorge Edwards, der mit seinem 1973 erschienenen Buch "Persona Non Grata" die Kuba-Begeisterung in weiten Teilen der Linken und darüber hinaus zerriss. Matthias Niederberger spricht für die NZZ mit Dirk von Lowtzow von Tocotronic über dessen Corona-Tagebuchroman "Ich tauche auf". Hilary Mantel wollte in ihrem nächsten, Fragment gebliebenen Roman Figuren aus Jane Austens Werken fortspinnen und neu kontextualisieren, berichtet Gina Thomas in der FAZ von der Trauerfeier für die vergangenen Herbst verstorbene Schriftstellerin. Christian Wildhagen erinnert in der NZZ an die Kontroversen um Thomas Manns vor 90 Jahren erschienenem Essay "Leiden und Größe Richard Wagners". Im Literarischen Leben der FAZ denkt Rainer Moritz über Schlagersongs nach, die vom Bücherlesen handeln. In der FAZ gratuliert Dietmar Dath der Schriftstellerin Louise Glück zum 80. Geburtstag. FAZ und SZ erscheinen heute mit ihren Frühjahrsbeilagen. Auch in der Literarischen Welt gibts heute zwei handvoll Buchbesprechungen.

Besprochen werden Olga Tokarczuks "Empusion" (FR), Robert Seethalers "Café ohne Namen" (Tsp), eine Neuauflage von Ursula K. Le Guins SF-Klassiker "Die linke Hand der Dunkelheit" (Jungle World), Benjamin von Stuckrad-Barres "Noch wach?" (taz), Michal Govrins "Strandliebe" (Jungle World) und Tonio Schachingers "Ectzeitalter" (FAZ). Die Literarische Welt ist heute komplett Buchbesprechungen zur Leipziger Buchmesse gewidmet. Auch die SZ bringt heute ihre Literaturbeilage.
Archiv: Literatur

Film

Der filmische Nachwuchs in Deutschland sieht angesichts eines zusehends geriatrischen und experimentierunwilligen Betriebs seine Felle davon schwimmen. Eine beeindruckend große Zahl hat jedenfalls den "Appell des jungen deutschen Films" unter der Überschrift "Angst essen Kino auf" unterzeichnet: "Wir lieben das Kino", doch "ihr, die Ihr die Weichen stellt in unserer Branche - macht es uns schier unmöglich, für dieses Kino zu kämpfen." Denn "in Deutschland wagt man nichts, was sich nicht bereits bewährt hat. ... Statt zu sehen, dass Erfolg nur mit Risikobereitschaft, mit Neuem, Nie-Dagewesenem, Originellem kommt, setzt Ihr auf Remakes, Sequels, Romanadaptionen, Schenkelklopfer-Komödien und natürlich: bekannte Gesichter und Namen." Insbesondere die große Machtstellung der Fernsehsender steht in der Kritik: Dieses "muss wieder mutiger werden, und das Kino als Kino respektieren. Es kann nicht sein, dass Kinofilme 'fernsehkonform' gemacht werden, damit sie, wenn überhaupt, zu später Stunde über die kleinen Bildschirme laufen dürfen."

Außerdem: Alexandra Seitz würdigt in epdFilm den Schauspieler Thomas Schubert, der ihrer Ansicht nach für seine Leistung in Christian Petzolds "Roter Himmel" (besprochen im Filmdienst und auf Artechock, mehr dazu hier und dort) eigentlich den Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leitung verdient hätte: "Sein miesepetriger Schreiberling ist eine Schau, eine mutige Darbietung von Schwäche, eine komplexe Erkundung erbarmungswürdiger Großkotzigkeit, die schon beim kleinsten Gegenwind eingeht." Barbara Schweizerhof widmet sich im Freitag dem Hype um die HBO-Serie "Succession", die mit ihrer vierten Staffel gerade zu Ende geht. Thomas Willmann spricht für Artechock mit Brandon Cronenberg über dessen neuen Horrorfilm "Infinity Pool". Die taz spricht mit Michael Biedowicz, der mit "Alles anders machen" einen Dokumentarfilm über die in der Wendezeit wenige Monate lang erschienene Ost-taz gedreht hat. Thomas Klein hat für den Filmdienst mit den Intimitätskoordinatoren Franzy Deutscher und Florian Federl gesprochen. Thomas Meder befasst sich für epdFilm mit dem Verhältnis zwischen Film und Malerei. Joachim Huber wundert sich im Tagesspiegel, dass die Produktionsfirma von "Weißensee" die Erfolgsserie zwar fortsetzen will, die ARD aber offenbar kein Interesse an Nachschub hat.

Besprochen werden Sam Mendes' "Empire of Light" (Artechock), Dexter Fletchers auf AppleTV+ gezeigter Film "Ghosted" (SZ), Kyle Marvins "Brady's Ladies" (Artechock), Christian Carions "Im Taxi mit Madeleine" (Artechock), Ruth Olshans "Himbeeren mit Senf" (Artechock) und Marion Ammichts von Arte online gestellter Film "Gundremmingen - eine deutsche Atomgeschichte aus der Provinz" (BLZ).
Archiv: Film

Bühne

Fabian Hinrichs als Sardanapel an der Volksbühne. Foto © Apollonia T. Bitzan


An der Volksbühne gab Fabian Hinrichs den "Sardanapal" nach einem Stück von Lord Byron. Eigentlich sollte Benny Claessens die Titelfigur spielen, aber der war nun doch nicht dabei (von künstlerischen Differenzen ist die Rede) und so übernahm Hinrichs kurzerhand die Hauptrolle in seiner eigenen Produktion. Worum gehts? König Sardanapel lehnt jede Herrschaft durch Unterdrückung, Verstellung, Expansion, Lüge und Gewalt ab, er genießt lieber. Zu diesem Zweck veranstaltet er ein Bankett und die Volksbühne lieferte alle Zutaten. In der Berliner Zeitung ist Ulrich Seidler hingerissen: "Es tritt das Jugendsinfonieorchester des Händel-Gymnasiums auf, eine zwölfköpfige Tanzcompagnie und weitere Tänzer der Flying Steps. Es gibt Saxophonsoli, Sir-Henry-Pianokunst, Schwert- und Schlachtenchoreografien, Schmetterlingsformationstanz à la Friedrichsstadtpalast, Wagner-Vorhänge, Hardrockmusicaldiskokunstliedmedleymusik - die Hubmaschinerie schichtet Himmelstreppen auf, Scheiterhaufen brennen, der Orchestergraben gibt sich die Ehre als Euphrat, während der Volksbühnenkronleuchter einen Himmel voller Sterne blinken lässt. Es werden über hundert Leute gewesen sein, die sich schließlich verbeugten, dazwischen, barfuß, breit und glücklich lächelnd der Kaiser des Abends."

Rüdiger Schaper vom Tagesspiegel war es zu viel, viel zu viel: "Das Stück reiht Nummer an Nummer und macht sprachlos. Einmal setzt sich Hinrichs ans Schlagzeug und liefert mit Sir Henry am Klavier einen Rocksong ab. Ein andermal spielt Sir Henry mit den jungen Musikern Chopin, und Hinrichs breitet seine Alpträume aus. Schön ist die Szene zu Beginn, als Hinrichs eine Kassiererin zum Träumen bringt und Lilith Stangenberg zur Aphrodite im Supermarkt wird. Und das bricht auch gleich wieder ab. Was bei allen assyrischen Göttern reitet diesen wunderbaren Schauspieler, warum hilft Fabian Hinrichs niemand?" In der nachtkritik ist Ether Slevogt noch unentschieden: "Immer alles ein bisschen zu schrill verehrend vorgetragen und präsentiert, so dass nie wirklich klar wird: Ist diese Kunst- und Lebenssehnsucht echt oder wird sie nur karikiert? Ist Hinrichs freiwillig oder nur unfreiwillig komisch? Aber in diesem linkischen Strecken nach der Kunst und dem Unmöglichen gelingt es dem Abend auch immer wieder, seltsam zu ergreifen. Benny Claessens ist aber offenbar in der Sorge ausgestiegen, sich mit dem Abend zu blamieren, und postete auf Instagram Böses."

Weiteres: Christian Blossfeld wird der Nachfolger des entlassenen Ballettdirektors Marco Goecke in Hannover, meldet Dorion Weickmann in der SZ. In der Welt sieht nun auch Jakob Hayner die Münchner Kammerspiele den Bach runtergehen.

Besprochen werden die Choreografie "Blazing Worlds" von Sergiu Matis im Radialsystem (Tsp), ein Auftritt der Wooster Group beim FIND Festivel (Tsp), Jenke Nordalms Adaption von Lars Kraumes Film "Der Staat gegen Fritz Bauer" am Stadttheater Gießen (nachtkritik), ein Gastspiel des serbischen Popstars Lepa Brena beim Festivals "New Stages South East" am Theater Oberhausen (nachtkritik) und Emre Koyuncuoğlus Stück "Halide. Words of Flame" beim Festival "Female Peace Palace" an den Münchner Kammerspielen (nachtkritik).
Archiv: Bühne

Design

SPHINX - 'Superfunktionale Informations- und Kommunikationseinheit', alternative Konfiguration, Sowjetunion, 1986-87, Reprints, 2023, © Privatsammlung

Der Kalte Krieg fand auch auf dem Gebiet des Schönen und Nützlichen statt, erinnert Paul Jandl in der NZZ nach dem Besuch der Berliner Ausstellung "Retrotopia. Design for Socialist Spaces" (mehr dazu bereits hier): Zwischen den beiden Machtblöcken "tobte ein Konkurrenzkampf um Modernität. Um Technologie und Design. ... Wer die Zukunftsarbeit des Ostblocks zwischen den fünfziger und den achtziger Jahren sieht, der erkennt einen kreativen Enthusiasmus, der den des Westens vielleicht sogar übertrifft. Die staatlichen Design-Akademien quollen über von Ideen, die entweder nie verwirklicht wurden oder ohnehin utopisch gedacht waren." Außerdem "war der Minimalismus des Ostens ein anderer als der des Westens. In ökonomischen Mangellagen musste man minimalistisch operieren, während die Schlichtheit im Westen ein absichtlicher Verzicht auf Opulenz war. Dass beide Systeme Designs hervorgebracht haben, die sich ähnlich sehen, kommt nicht von ungefähr. Es gab informelle Kanäle zwischen Architekten und Designern, auch der Sowjetstaat selbst ließ sich gelegentlich westliche Designer-Ware zu Anschauungszwecken kommen."
Archiv: Design

Musik

Orchester achten vermehrt auf Diversität - die Merkmale, auf die dabei besonders Wert gelegt werden, sind meist phänotypischer Art. Dabei bleibt die Mittel- und Oberschicht dennoch weitgehend unter sich, stellt Hartmut Welscher im VAN-Magazin nach der Lektüre einschlägiger Studien fest: Es "ergibt sich für die soziale Durchlässigkeit insbesondere in der klassischen Instrumentalausbildung ein verheerender Befund: Je höher Einkommen und Bildung der Eltern, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Kind ein Instrument erlernt, irgendwann einmal auf der Hochschule und dann auf der Konzertbühne landet. Die Klassik als in sich geschlossenes, homogenes sozioökonomisches und kulturelles Berufsfeld, das sich stets selbst reproduziert. ...  Um faire Chancen für alle Kinder zu wahren, käme es zunächst einmal auf eine flächendeckende musikalische Grundversorgung in den Bildungseinrichtungen an. Nur dass allein an deutschen Grundschulen 23.000 ausgebildete Musiklehrer:innen fehlen (Stand 2020) - Tendenz steigend."

Außerdem: Hartmut Welscher spricht für VAN mit Dominik Winterling, der das Amsterdamer Concertgebouw Orchestra managt, welches viel mehr als deutsche Spitzen-Orchester darauf angewiesen ist, seine Finanzierung sicherzustellen.Dominik Bauer plaudert für die taz mit dem in den Siebzigern oft für Studiosessions angefragten Bassisten Klaus Voormann, der überdies auch das Cover des "Revolver"-Albums der Beatles gestaltet hat. Für VAN spricht Jeffrey Arlo Brown mit dem Geiger Adam Woodward über dessen Instrument. Nadine Lange ärgert sich im Tagesspiegel, dass der heutige Record Store Day von einer einstmals guten Idee zu einem Happening für Discogs-Füchse verkommen ist: Vielen, die heute die Kisten mit den exklusiv für heute produzierten Sondereditionen leerkaufen, gehe es nur noch "darum, Raritäten abzugreifen und diese im Netz teurer weiterzuverkaufen". In seiner VAN-Reihe über Komponistinnen widmet sich Arno Lücker in dieser Woche hier Nina Simone und dort Kay Swift. Aida Baghernejad porträtiert für ZeitOnline den Musiker Eddie Chacon, der in den Neunzigern ein Schmachtsong-One-Hit-Wonder war und jetzt in der Jazzszene von Los Angeles reüssiert.



Besprochen werden das Comeback-Album "Fuse" von Everything But The Girl (Tsp), Klaus Mäkeläs Debüt bei den Berliner Philharmonikern (Tsp) und ein Konzert der Sportfreunde Stiller (NZZ).
Archiv: Musik