
30.06.2008 Die Literaturkritik wird heute allein von der FAZ bestellt: Sie taucht mit Antonio Jose Pontes Roman "Der Ruinenwächter von Havanna" tief in Kubas Herz und das Gehirn eines Überwachungsstaats. Sehr erhellend findet sie Veit Probsts "Entstehungsgeschichte der Mona Lisa". Von Peter Wellnhofen lernt sie alles über den "Archaeopterix".

28.06.2008 Wenn sich die FAZ ein Bild von Kafka machen will, dann zieht sie das Fotoalbum von Klaus Wagenbach vor, das der seit 1951 pflegt. Verquirltes Hirn und Schweinsfuß genießt sie mit Wolfram Siebecks "Kochbuch der verpönten Küche". Die NZZ empfiehlt den neuen Band der Gesamtausgabe Gottfried Kellers, die sie praktischerweise gleich selbst mit herausgibt. Und die SZ lässt sich von Thomas Pynchons "Gegen den Tag" gerne aus der Fassung bringen.

27.06.2008 Faszination und Fluch des Cyperspace erlebt die FAZ mit Tim Guests Abstechern in die virtuelle Realität "Die Welt ist nicht genug". Einfach deprimierend findet sie die Erinnerungen "Handschlag mit dem Teufel" des UN-Kommandeurs Romeo Dallaire an den Völkermord in Ruanda. Die SZ liest mit Vergnügen "Frühes Versprechen" des schillernden Romain Gary. Die FR liest Hans-Hendrik Grimmlings Erinnerungen an sein Malerleben im DDR-Staatskunstbetrieb "Die Umerziehung der Vögel".

26.06.2008 Bestnoten vergibt die Zeit an Jonathan Carrs pointierte und souveräne Familiengeschichte des "Wagner-Clans" samt seiner angeheirateten Monstren. Gar nicht genug loben kann sie Andrej Bitows neu übersetzten Post-Tauwetter-Roman "Das Puschkinhaus" Die SZ lernt aus Robert Muchembleds Geschichte der Sexualität "Die Verwandlung der Lust", dass Orgasmus und Okzident nicht zusammenpassen. Die FAZ liest die bewegenden Erinnerungen Wole Soyinkas "Brich auf in früher Dämmerung".

25.06.2008 Die SZ erlebt mit Roland Barthes die Liebe in ihrer gewaltigen, überwältigenden Form. Als großes Buch rühmt die NZZ Winston Churchills Bericht "Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi". Die FR goutiert den nüchternen Realismus in Rick Moodys Novellen "Paranoia". Und laut FAZ wird es höchste Zeit, Ludwig Steinherr zu lesen - zum Beispiel seine Gedichte "Von Stirn zu Gestirn".

24.06.2008 Die FR preist Amos Oz' neuen Roman "Verse auf Leben und Tod" Die SZ jauchzt vor Freude über die Novelle "Bruno", mit der Gerhard Falkner dem ermordeten Problembären ein Denkmal setzt. Lynchjustiz im Wallis erlebt auch die NZZ mit Corinna Billes "Venusschuh". Und die taz lernt von Philipp Tinglers "Stil zeigen!", dass man sich am besten benimmt, wenn man die Langweiler und Weinkenner abwimmelt.

23.06.2008 Für geradezu unentbehrlich hält die SZ Saskia Sassens Schrift "Das Paradox des Nationalen". Empfehlen kann sie auch Dietmar Rothermunds Buch über die asiatische Weltmacht "Indien". Die FR schließt sich Michael J. Sandels "Plädoyer gegen die Perfektion" an. Die FAZ reist mit Truman Capote auf der Luxusyacht und dritter Klasse und weiß jetzt, dass sein Snobismus nur geheuchelt war.

21.06.2008 Als ideales Hochzeitsgeschenk empfiehlt die SZ Ludwig Schmugges "Ehen vor Gericht", von dem sie unter anderem gelernt hat, gegen wie viele Truppen Borgia-Papst Alexander VI. die Ehe Ludwig XII. annullieren ließ. Die NZZ lernt in Jean de La Bruyeres "Die Charaktere" viel über das Wesen der Versailler Hofschranzen. Sehr bewegt ist sie von Hannah Kralls Roman "Herzkönig", der mit jeder Lektüre wachse. Die FAZ begeistert sich für Thomas Lehrs Geschichte von "Tixi Tigerhai".

20.06.2008 Mit seinem Roman über die Schließung eines Hummer- Schnellrestaurants in Connecticut hätte Stewart O'Nan der FAZ beinahe das Herz gebrochen. Vorbehaltlos freuen kann sie sich über Dagmar von Gersdorffs Familienchronik "Goethes Enkel". Die FR spendet Thomas Pletzingers Romandebüt "Bestattung eines Hundes" großes Lob. Die SZ empfiehlt die fast schon vergessene Schweizer Autorin Regina Ullmann und ihre Erzählungen "Die Landstraße".

19.06.2008 Erschüttert, überwältigt, begeistert ist die SZ von György Dragomans Roman "Der weiße König" aus dem Rumänien Ceausescus. Beeindruckt, wenn auch nicht völlig überzeugt ist die FAZ von Laszlo Vegels Roman über die Ungarn in der serbischen Vojvodina "Exterritorium". Die NZZ liest Gedichte von Charles Bukowski, die Zeit Gedichte von Rose Ausländer und William Faulkners "Licht im August".

18.06.2008 Sehr spannend findet die NZZ Mikael Niemis Krimi "Der Mann, der starb wie ein Lachs", in dem eine Sprache verschwindet: Meänkieli. Die SZ schätzt Margret Atwoods unverkrampftes Denken und ihre "Moralische Unordnung". Die FAZ lernt von Lee Alan Dugatkin, dass die Evolutiontheorie den Altruismus durchaus erklären kann, aber vor allem unter Verwandten. Die FR preist Volkmar Siguschs Großwerk "Geschichte der Sexualwissenschaft".

17.06.2008 Für Internationalität sorgt wie immer die NZZ: Sie kann Ketil Bjoernstadts norwegischen Roman "Oda" über die Boheme von Kristiania empfehlen. Poetisch und kühl zugleich findet sie Asli Erdogans Roman über eine Türkin in Rio "Die Stadt mit der roten Pelerine". In der SZ preist Hans Mommsen Stefan Breuers Studie über "Die Völkischen in Deutschland". Die FAZ lobt Agnieszka Pufelskas Studie "Die Judäo-Kommune" über den Antisemitismus in Polen.

16.06.2008 Geradezu beglückt ist die FAZ von Peter Peters "Kulturgeschichte der deutschen Küche", deren undogmatisch-liberaler Ansatz auch Pommes rot-weiß gelten lässt. Gern liest sie die Geschichten "Kurve und Gerade" des Koreaners Yi Yun-Gi. Die SZ hat Federico Fellini in keinem Film so ungebändigt wie in seinem "Buch der Träume" erlebt. Berührt ist die FR von Iris Hanikas Liebesroman und Großstadtmärchen "Treffen sich zwei".

14.06.2008 Die FAZ mag es kaum glauben: Arno Surminski hat nichts erfunden: Es gab tatsächlich einen KZ-Wärter, der zusammen mit einem Insassen die Vogelwelt von Auschwitz erkundete. Der NZZ ist lyrisch zumute: mit der slowenisch-kärntnerischen Lyrikerin Milka Hartman und ihrem Gedichtband "Der Frost verspinnt die Beete mir mit feinen Netzen" ebenso wie mit der neuplatonisch temperierten Sonetterotik von Edmund Spenser. Die taz hat es heute lieber lustig und lauscht dem Wortkünstler reinsten Wassers Heino Jaeger.

13.06.2008 Die SZ bejubelt Drago Jancars historischen Meisterroman "Katharina, der Pfau und der Jesuit" als grandioses Fresko eines grenzenlosen Europas. Ein Hauch von Schwefel weht sie aus Carl Schmitts "Gespräch über die Macht und den Zugang zum machthaber" an. Die FAZ liest fasziniert Ludwig Bemelmans' wiederentdeckten weise-skurrilen Roman "An der schönen blauen Donau".

12.06.2008 Begeistert lässt sich die NZZ von Urs Allemanns Gedichten "im kinde schwirren die ahnen" ins gefährlich-schöne Niemandsland zwischen Schrift und Laut führen. Als eher wahrhaftig denn wahr genießt sie Romain Garys Roman "Frühes Versprechen". Die FAZ liest beglückt George Meredith' Roman über den unglücklich liebenden Ferdinand Lasalle "Die tragischen Komödianten". Die SZ ackert sich durch einen Manuskriptband zum "Kapital".

11.06.2008 Die SZ rühmt Inger Christensens Gedichte "Lys /Licht" und ihre kongeniale Übertragung ins Deutsche durch Hanns Grössel. Von Andreas Rosenfelder lernt sie, die schreckliche Schönheit von Computerspielen zu lieben. Die NZZ liest die "Unverbindlichen Erinnerungen" des Ernst von Glasersfeld, Erfinder des radikalen Konstruktivismus und des Sperrholzcomputers. Wärmstens empfehlen kann sie auch die Provinzromane von O.P. Zier.

10.06.2008 Die NZZ freut sich über Atle Naess' Roman "Die Riemannsche Vermutung", der die spannendesten Themen miteinander verquicke. Die SZ preist Gustav Adolf Lehmanns Biografie des Perikles, die den athenischen Staatsmann endlich als den Demokraten darstelle, der er war. Die FAZ lobt Hermann Frank Meyers Studie "Blutiges Edelweiß" über die Gräueltaten der Gebirgsjäger im Zweiten weltkrieg.

09.06.2008 Die SZ lernt von Dieter Bachmann "Die Vorzüge der Halbinsel" und Italien trotz Müll, Mafia und Berlusconi zu lieben. Außerdem liest sie Thea Dorns Roman über die Liebe zu einem "Mädchenmörder". Die FAZ freut sich, endlich Khushwant Singhs "Zug nach Pakistan", einen Klassiker der Teilungsliteratur, auf Deutsch lesen zu können. Empfehlen kann sie auch Jonathan Carrs "Der Wagner-Clan" mit deutlicher Sympathie für die Rebellen und die Zu-kurz-Gekommenen der Familie.

07.06.2008 Klein, aber fein ist die Bücherschau heute. Cormac McCarthy hat völlig zu Recht den Pulitzerpreis bekommen, stellt die FAZ klar. "Die Straße" ist nämlich ein wirkliches Meisterwerk. Die taz wird gleich doppelt animiert: durch Diedrich Diederichsens "Eigenblutdoping" über Künstlerperformance und Kunstboom einerseits. Andererseits durch den ersten Band von Walter Benjamins Kritischer Gesamtausgabe bei Suhrkamp, die 2018 ihren Abschluss finden soll.

06.06.2008 Die FAZ liest Yasmina Khadras Irak-Thriller "Die Sirenen von Bagdad" mit größter Spannung und als klugen Kommentar zum west-östlichen Verhältnis. Die SZ kommt Norman Maneas unbarmherzigen Erzählungen "Oktober, acht Uhr" nicht los. Große Freude hat sie auch an Agnes de Lestrades Kinderbuch "Der liebste Wolf der Welt", das ganz ohne Tierschnucklichkeiten auskomme. Die NZZ empfiehlt Duncan Shiels' ungarisches Familiendrama "Die Brüder Rajk".

05.06.2008 Einen freien Geist und ein großes Buch bejubelt die Zeit mit Winston Churchills Erinnerungen an den "Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi". Robert Kagan hält sie nach "Die Demokratie und ihre Feinde" immerhin für den Besten und Klügsten unter den Hardlinern. Sehr berührt ist die NZZ von Diane Broeckhovens feinfühligem Porträt einer alten Dame "Eine Reise mit Alice". Die FAZ findet Galsan Tschinags Erzählung "Das Menschenwild" über eine Frau, die lernt, einen Gijik zu lieben, anregend anders.

04.06.2008 Komisch und klug findet die FAZ James Canons Roman "Der Tag, an dem die Männer verschwanden". Er spielt in einem kolumbianischen Dorf, aus dem die Männer von einem Guerilla-Trupp verschleppt werden. Die SZ lobt noch einmal Sonia Simmenauers wunderbares, weises Buch über das Leben im Quartett "Muss es sein?", freut sich sehr über Jörg Albrechts Weltraum-Poproman "Sternstaub, Goldfunk, Silberstreif" und begreift dank Quentin Skinners "Freiheit und Pflicht" die Philosophie von Thomas Hobbes.

03.06.2008 Die NZZ bewundert Edward P. Jones für seine Erzählungen "Hagars Kinder" und für Sätze, die schlagartig von nüchterner Bestandsaufnahme in schwärmerische Poesie umschlagen. Die SZ ist faszniert von Domingo Faustino Sarmientos Kampfschrift gegen die Diktatur "Barbarei und Zivilisation", die auch nach 160 Jahren noch trifft. Sehr empfehlen kann sie auch Göran Sahlbergs Debütroman über das Schweden der Freikirchen "Sieben wunderbare Jahre".

02.06.2008 Die SZ preist die Familiengeschichte "Die Bin Ladens" des Pulitzer-Preisträgers Steve Coll. Sehr berührt ist sie auch von Yi Yun-Gis koreanischen Erzählungen "Kurve und Gerade". In Henning Mankells neuem Thriller "Der Chinese" kann sie dagegen nichts anderes erkennen als weichgespülten Maoismus. Einen modernen und sehr erhellenden Blick auf den Koran hat der FAZ das Buch "Mohammed und die Zeichen Gottes" gewährt, für das Hilal Sezgin den Reformtheologen Nasr Hamid Abu Zaid interviewt.