30.06.2023 Die NZZ kann dank Jens Balzers Enzyklopädie der Neunziger den eigenen generationellen Gang vor die Hunde nachvollziehen. Die FAZ schwelgt lieber in den frühen französischen Fotografien der Contessa di Castiglione, die für ein Jahr die Geliebte Napoleons III. war. Dlf Kultur verliert sich in Anuradha Roys Roman über die Liebesgeschichte zwischen einem Hindu und einer Muslima im Indien der 1980er Jahre.
29.06.2023 Dass der Heizungsstreit nicht erst seit heute die Gemüter erhitzt, lernt der Dlf bei einem faszinierendem Streifzug durch die Literaturgeschichte mit Susanne Stephans "Der Held und seine Heizung". Viel Lob gibt es auch für Tomer Dotan-Dreyfus' Roman "Birobidschan", der eine jüdisch-sozialistische Utopie in Sibirien an der Grenze zu China beschwört. Die NZZ liest zwei neue Biografien zum Wagner-Clan: Isolde von Bülow und Houston Stewart Chamberlain. Die FAZ stolpert mit Matthias Polityckis "Alles wird gut" durch ein sehr fremdes Äthiopien.
28.06.2023 In der FAZ empfiehlt der Historiker Alexander Gallus die neuaufgelegte Quellensammlung zum berüchtigten "Berliner Antisemitismusstreit". Die SZ begibt sich mit Angela Saini auf die Suche nach den Ursprüngen des Patriarchats. Die FR bewundert die poetische Logik, mit der Ali Smith in ihrem neuen Roman Großbritannien während der Pandemie beschreibt. Als "literarische Explosion" würdigt der Dlf Biljana Jovanovićs Roman "Hunde und andere" über eine lesbische Liebe im Jugoslawien der siebziger Jahre.
27.06.2023 Die FAZ schwelgt in Erinnerungen an Rainer Maria Rilke. Die FR wirft mit Götz Aly in "Unser Nationalsozialismus" einen entlarvenden Blick auf die Menschen hinter der Ideologie. Die NZZ liest Richard Russos Roman "Mohawk" als frühe Prophezeiung der Klimakrise. Der DlF folgt Anne Berest auf den Spuren ihrer jüdischen Familie.
26.06.2023 Die FAZ liest Kinderbücher. Sehr begeistert ist sie von der Naturbegeisterung in Frances Stickleys "Die Erde und du". Die FR ist beeindruckt von Liao Yiwus Roman über eine Liebe in den Zeiten der Mao-Dikatur. Der SZ erfährt von Anna Corsten, wie westdeutsche Historiker nach dem Krieg die Aufarbeitung der NS-Verbrechen durch ihre emigrierten Kollegen ignorierten. Der Dlf bewundert die Mühelosigkeit, mit der Salma El-Wardany von der Glückssuche muslimischer Frauen erzählt.
24.06.2023 Die FAZ bringt sich mit Gertraud Klemms WG-Roman "Einzeller" auf den aktuellen feministischen Debattenstand. Auf harte Wahrheiten stößt die SZ in Kate Beatons Graphic Novel "Ducks" über die Fracking-Camps im kanadischen Alberta. Interessant, wenn auch nicht ganz überzeugend findet die taz Isabel Wilkersons Versuch, mit Hilfe der "Kaste" die amerikanische Ungleichheit zu erfassen.
23.06.2023 Der Dlf Kultur streift in Witold Gombrowicz' letzem Roman durch ein "Geröllfeld der Wirklichkeit" und sucht gebannt nach der Verbindung zwischen einer Teekanne und einer erwürgten Katze. Mit Spannung liest er auch Najat El Hachmis polemisches Manifest gegen die Scham migrantischer Frauen auf dem Weg in die Selbstbestimmung. Die FR schwelgt in Sigrid Damms inspirierenden Aufsätzen. Und die NZZ ahnt in Johannes Kleinbecks "Geschichte der Zärtlichkeit": Besonders erfüllt war Liebesleben von Kant und Hegel nicht.
22.06.2023 Dlf Kultur ist dankbar für die Entdeckung des streitbaren Andrzej Bobkowski, der in den 1940er Jahren mit "Hinter dem Wendekreis" Abschied vom alten Europa nahm. Die FAZ liest gespannt Aron Boks literarische Biografie seines Urgroßonkels, des Malers Willi Sitte. Die FR freut sich in James Kestrels Thriller "Fünf Winter" über einen Gentleman-Detective im Zweiten Weltkrieg, dem durch die Bank weg emanzipierte Frauen zur Seite stehen. Die Zeit empfiehlt wärmstens die Stories von Joy Williams.
21.06.2023 Die FR bewundert den Enthusiasmus und die Verve, mit der Clemens Meyer in "Über Christa Wolf" DDR-Literatur zur Lektüre empfiehlt. Die FAZ erkundet mit David J. Chalmers virtuelle Welten. Die SZ setzt sich einer geballten Ladung Teenager-Probleme aus in Silke Heimes Roman "The truth behind your lies". Und ist dann reif für "Ekstasen der Gegenwart", die ihr Paul-Philipp Hanske und Benedikt Sarreiter vorführen. Dlf taucht mit Marvel Morenos Roman "Im Dezember der Wind" ein in die Welt der kolumbianischen Oberschicht.
20.06.2023 Die FAZ versenkt sich in die Erinnerungen des französischen Schriftstellers Pierre Guyotat an den Algerienkrieg. Die SZ weiß nach der Lektüre von Sabine Hossenfelders launigem Wissenschaftsbuch, dass sie nichts weiß. Die taz liest atemlos Nicola Lagioias Reportageroman "Die Stadt der Lebenden" über einen realen Mord in Rom. Die FR genießt den österreichischen Witz in Tonio Schachingers Pennälerroman "Echtzeitalter".
19.06.2023 Der Dlf lernt aus dem fulminanten letzten Band von Gabriela Adamesteanus Roman-Trilogie über Rumänien von den 50ern bis heute, wie sich Vergangenheit immer wieder neu zusammensetzt. Die SZ ist nachhaltig beeindruckt von der kalten Wut, mit der Stefanie Babst über die deutsche Russlandpolitik und die Diskussionsunfähigkeit der NATO schreibt. Die FAZ lauscht gerne Matthias Mückes Geschichten über die Ost-Berliner Bohème. Dlf Kultur freut sich über Fabienne Meyers und Sibylle Wulfs originelles Bilderbuch über die Restauration von Kunstwerken.
17.06.2023 Der Dlf taucht ein in die unheimlichen Erzählungen von Maylis de Kerangal. Die FAZ liest Fernanda Alfieris Bericht über eine Teufelsaustreibung als Kampf zwischen Religion und Wissenschaft. Mit Penelope Mortimers Roman "Bevor der letzte Zug fährt" betrachtet sie interessiert das in Konventionen erstarrte England der Fünfziger. Die FR amüsiert sich mit Edmund Edels Berlinroman "Der Snob". Dlf Kultur empfiehlt die Dürer-Biografie von Philip Hoare.
16.06.2023 Die Zeitungen empfehlen heute viele Kinderbücher: Die SZ reist mit gleich drei Bilderbüchern zum Mond - besonders gern mit Gosia Herba und Mikolaj Pasinski, die dort einen Elefanten vermuten. Klug und kunstvoll findet die FR, wie Zoran Drvenkar Kinder an das Thema Krieg heranführt. Die FAZ blickt in einem Bildband mit Paul McCartney auf die Beatlemania zurück. Und der Dlf denkt mit Celine Minard über menschliches Leben in tausend Jahren nach.
15.06.2023 Gleich zwei große, hierzulande noch unbekannte Romane sind zu annoncieren: Mark Aldanows "Der Anfang vom Ende" von 1943 erzählt von einer sowjetischen Delegation im Paris der 1930er Jahre, die ihren Glauben an den Kommunismus bereits verloren hat - ein unerwartetes Meisterwerk, schwärmt die Zeit. Und Janos Szekelys "Eine Nacht, die vor 700 Jahren begann" aus den 1950er Jahren erscheint überhaupt zum erstenmal - eine Nacht am Ende des Zweiten Weltkriegs in Ungarn, eine Dreiecksbeziehung und ein Streik der Bauern sind seine Themen, die Szekely mit fast filmisch wirkenden Erzähltechniken evoziert, so der hingerissene Dlf Kultur.
14.06.2023 Der FAZ gewähren Henrike Lähnemann und Eva Schlotheuber mit "Unerhörte Frauen" einen faszinierenden Einblick in das Leben und die Netzwerke von Nonnen in mittelalterlichen Klöstern. Die Welt lässt sich von Johannes Kleinbeck über die Erfindung des einvernehmlichen Sex aufklären, der so einvernehmlich nicht immer war. Die NZZ taucht mit Eva Vieznaviecs Roman "Was suchst du, Wolf?" in die von Gewalt und Krieg geprägte Vergangenheit von Belarus ein. Die SZ beobachtet mit der Harvard-Professorin Jana Costas gebannt Reinigungskräfte in ihrem Arbeitsalltag.
13.06.2023 Höchst beeindruckt ist die NZZ von der Nüchternheit, mit der Yirgalem Fisseha Mebrahtu in ihren Gedichten von Widerstand und Haft in Eritrea erzählt. Berührt liest Silke Scheuermann in der FAZ Erika Schellenbergers einfühlsamen Roman "Alles behalten für immer" über Rilkes Tochter Ruth. Heinz Strunks Geschichten von gescheiterten Existenzen rät die SZ, nur in kleinen Dosen zu genießen. Außerdem verteidigt sie den Liberalismus gegen Raymond Geuss. Der Dlf empfiehlt Katajun Amirpurs kenntnisreiche Analyse "Iran ohne Islam".
12.06.2023 Die SZ freut sich, dass Wolfgang Benz den Hitler-Attentäter und lange unbesungenen Helden Georg Elser in einer eleganten Biografie wüdigt. Der DlfKultur rühmt noch einmal die Tagebücher der niederländischen Jüdin Etty Hillesum. Die FAZ liest bei Thomas Hutzschenreuter und Sebastian Jans nach, wem die deutschen Unternehmen gehören. Und die FR jubelt über krakenschwarzen Humor in Ned Beaumans Öko-Thriller "Der Gemeine Lumpfisch".
10.06.2023 Die taz lernt bei dem amerikanischen Historiker Charles King das jüdische Leben in Odessa vor dem Holocaust kennen. Außerdem blickt sie mit dem intellektuellen It-Boy Egon Bondy auf das Prag der Nachkriegszeit zurück. Die FAZ lernt Adelbert von Chamisso bei Matthias Glaubrecht als Reiseschriftsteller kennen. Die NZZ erkennt hinter Marina Zwetajewas fürchterlich ehrlichen Aufzeichnungen eine "Berserkerin der Liebe". Der Dlf tanzt mit Marie Vieux-Chauvets sinnlichem Roman über die haitianische Revolution auf dem Vulkan. Und die Welt denkt mit Elliot Page über Gender nach.
09.06.2023 Der Dlf reist mit Oxana Wassjakinas Debütroman "Die Wunde" an die Ränder der russischen Gesellschaft. Dlf Kultur entdeckt in José Luis González Macías' Atlas der Leuchttürme faszinierende Geschichten von Heldentaten, Wahnsinn und der absoluten Einsamkeit. Die NZZ verdankt Bodo Hell Spezialwissen über Eibe, Esche, Eiche und Zirbenzapfenlikör. Und die FAZ betrachtet die "Schlachtfelder der Nachkriegsmoderne" in einem Band mit Ansichtspostkarten aus der DDR und der BRD.
08.06.2023 Die NZZ lernt in Peter Frankopans Globalgeschichte des Klimas: Am Ende wird die Natur die Klimakrise selbst lösen, nur bedeutet das für die Menschheit nichts Gutes. Der Dlf staunt über den schwarzen Humor, mit dem Jose Dalisay vom Schicksal philippinischer Arbeitssklaven erzählt. Mit Toine Heijmans erklimmt er ein letztes Mal einen Achttausender. Dlf Kultur erkundet das Verhältnis zwischen "Künstler und Muse" in Mark Braudes Biografie über Kiki de Montparnasse und Man Ray.
07.06.2023 Die FAZ liebt den sarkastischen und hochaktuellen Blick, den Simon Raven schon 1972 in seinem Roman "Wo man singt" auf eine englische Eliteuniversität warf. Die taz schwelgt im Leseglück mit Samuel Hamens Roman "Wie die Fliegen", der die Suche nach einem verschwundenen Teenager mit posthumanistischen Theorien kombiniert. Die Zeit ist beeindruckt von Ewald Fries Geschichte über das bäuerliche Leben seiner Familie. Der Dlf taucht mit Begeisterung in die fantastische Traumwelt Anna Giens ein.
06.06.2023 Der Dlf lernt vom senegalesischen Autor Felwine Sarr, seine Träume zu bewohnen. Der chinesischen-amrrikanischen Künstlerin Xiaowei Wang folgt er freudig ins hochmoderne ländliche China auf die "Blockchain Hühnerfarm". Die NZZ lässt sich freudig von Ivna Zic den Identitätsboden unter ihren Füßen wegziehen. Die FAZ stellt sich mit Hans Joachim Schädlich dem Bösen im Menschen.
05.06.2023 Die taz liest einen Sammelband zu Rammsteins berüchtigtem Deutschland-Video und fragt sich, wie die wahrhaft wissenschaftliche Untersuchung eines solchen Pop-Phänomens aussehen müsste. Die SZ findet Igorts Graphic Novel über den Ukraine-Krieg großartig gezeichnet, aber doch auch unauthentisch. Und die FAZ liest Krimis, darunter Erin Flanagans "emotional hochintelligenten" Roman "Dunkelzeit".
03.06.2023 Es gibt zwei eindeutige Romane des Tages: Anne Berests "Die Postkarte", in Frankreich ein großer Bestseller, wird von FR und SZ als kluge Reflexion über Holocaust und Antisemitismus heute gelesen. J. M. Coetzees "Der Pole" wird gleich in der Welt, der FAS und Deutschlanfunk besprochen, mit leicht unterschiedlicher Akzentuierung: elegant, altmodisch, und vielleicht auch etwas klischeehaft. Die FAS empfiehlt D Hunters "Autoethnografie" "Auf uns gestellt".
02.06.2023 Die FR mag ihn einfach, den unerbittlichen Blick von J. M. Coetzee, der ihr in der Novelle "Der Pole" von der Liebe zwischen einen polnischen Pianisten und eine italienischen bella donna erzählt. Der Dlf lässt sich von den "Gegengeschichten", die Alexander Kluge in seiner Kriegsfibel 2023 erzählt, zum Nachdenken anregen. Der Dlf Kultur schließt dank Michael Ohl die Wespe ins Herz. Die FAZ versinkt in Roderick Beatons Globalgeschichte der Griechen. Und die SZ empfiehlt Daniel Fehrs und Pei-Yu Changs Bilderbuch "Das Dorf der Fische" als Sommerbuch mit verstörender Note.
01.06.2023 Die FAZ bestaunt die Sprachgewalt Federico Garcia Lorcas, der selbst mit einem kurzen Text über den Duende im Flamenco Maßstäbe setzt. Anschließend brütet sie mit Arno Stadler "Irgendwo. Aber am Meer". Der Dlf lernt aus Jannie Regnerus' Roman "Das Lamm", wie man mit einem Fünfjährigen über den Tod spricht. In der Zeit würdigt der Historiker Martin Doerry ein Mammutwerk: Die abgeschlossene Gesamtausgabe über "Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945".