
30.09.2010 Die FAZ lässt sich vom Enthusiasmus anstecken, mit dem Roberto Calasso auf "Das Rosa Tiepolos" blickt. Auf ihre Kosten kommt die FR mit Richard Russos "hemmungslos sentimentalem" Roman "Diese alte Sehnsucht". Vergnügt liest auch die NZZ Gregoire Bouilliers "Ich über mich". Die heute erschienene Literaturbeilage der Zeit werden wir in den nächsten Tagen auswerten.

29.09.2010 Die FAZ lernt von Mario Livio die Knotentheorie und andere Höhepunkte aus der Geschichte des mathematischen Denkens. Behaglich macht sie es sich dann mit Elizabeth Gaskells Erzählungen "Mr. Harrisons Bekenntnisse". Die NZZ folgt mit Spannung Samuel D. Kassows Geschichte des Warschauer Ghettoarchivs "Ringelblums Vermächtnis". Die SZ empfiehlt Tuvia Rübners "Spätes Lob der Schönheit".

28.09.2010 Die FAZ jauchzt vor Freude über Tanguy Viels kleinen schmutzigen Roman "Paris - Brest" - mehr Familienromane braucht sie jetzt eigentlich nicht mehr. Außerdem empfiehlt sie Jan Patockas "Ketzerische Essays". Kein bisschen langweilig findet die SZ Noemi Kiss' Erzählungen "Was geschah, während wir schliefen", obwohl es ihnen nur um Sex und Drogen geht. Gelobt wird auch Olaf Raders Biografie "Friedrich II".

27.09.2010 Die SZ gruselt sich genüsslich mit John von Düffels Erzählung "Hotel Angst". Außerdem verfolgt sie in Pierre Bourdieus "Algerischen Skizzen" Feldforschungen unter kabylischen Bauern und stellt politische Jugendbücher vor. Die FAZ liest in Friederike Mayröckers Gedichten "ich bin in der Anstalt" vom Kampf gegen das Alter.

25.09.2010 Fasziniert lässt sich die FAZ von Roland Barthes die "Mythen des Alltags" erklären, die Textsammlung liegt endlich vollständig auf Deutsch vor. Mit großem Vergnügen liest sie auch Thomas Pynchons munteren Roman "Natürliche Mängel". Die NZZ begibt sich mit Annette Hug auf die Couch und in "Zelenys Zimmer". Die taz empfiehlt einen ganzen Stapel argentinischer Bücher: Damian Tabarovskys Roman "Medizinische Autobiografie", Felix Bruzzones Erzählungen "76" und Carlos Busqueds Krimi "Unter dieser furchterregenden Sonne".

24.09.2010 Ein literarisches Erlebnis war für die SZ der autobiografische Gesprächsband mit dem DDR-Dichter Adolf Endler "Dies Sirren". Die FR liest Tim B. Müllers Studie über Herbert Marcuse und andere vom OSS politisierte Linksintellektuelle. Und die FAZ vergnügt sich mit Rafael Horzons Entwicklungs- und Apfelkuchenroman "Das weiße Buch".

23.09.2010 Begeistert liest die NZZ
Horacio Castellanos Moyas "Der schwarze Palast", den sie nun direkt neben
Roberto Bolano ins Regal stellt (hier unsere
Leseprobe). Die Zeit preist
Thomas Pynchons Roman
"Natürliche Mängel" als
neues Meisterwerk. Die FAZ liest
Pierre Bourdieus "Algerische Skizzen". Und natürlich haben sich alle auf
Bret Easton Ellis' neuen Roman "Imperial Bedrooms" gestürzt: SZ und FR legen ihn aber mit einem
Gähnen wieder aus der Hand, die taz verzeichnet immerhin
Verstörung.

22.09.2010 In den Bann schlagen lässt sich die SZ von Roberto Ampueros chilenischem Krimi "Der Fall Neruda". Von monströser Sachlichkeit erscheint ihr Ernst Jüngers "Kriegstagebuch". Die NZZ erinnert sich mit Wehmut an Siegfried Unseld, der sich sogar um die Steuerprobleme seiner Autoren kümmerte. Mit Andrej Longo begibt sie sich in die Gossen Neapels. Die FR lernt aus Byung-Chul Hans Essay "Müdigkeitsgesellschaft", dass unsere Krankheiten nicht mehr von außen, sondern von innen kommen.

21.09.2010 Als Ereignis feiert die SZ den Briefwechsel zwischen
Hannah Arendt und
Gershom Scholem, die bei aller Liebe und Achtung einfach nicht miteinander konnten (hier unser
Vorgeblättert). Als faszinierenden und sehr doppelbödigen Erzähler empfiehlt die NZZ
Georgi Markov, der einen so
großen Tod in London starb. Die FR würdigt
Arthur Schopenhauer als den
Erfinder der Altersweisheit. Und die FAZ liest eine wilde Geschichte vom sibirischen
Verbrecherklan der Urki.

20.09.2010 Den moralischen Monstern des holländischen Liberalismus begegnet die SZ in Hermann Kochs Roman "Angerichtet". Die FAZ liest beeindruckt den Briefwechsel zwischen Leo Strauss und Eric Voegelin "Glaube und Wissen". taz und FR schlucken schwer an Ernst Jüngers "Kriegstagebüchern", der "kaltschnäuzigen" Rohversion der Stahlgewitter.

18.09.2010 Die FAZ versenkt sich in Thomas O. Höllmanns Kulturgeschichte der chinesischen Küche und fordert auftauchend: mehr. FR und taz haben sich wunderbar unterhalten mit Thomas Pynchons noir-Roman "Natürliche Mängel", der im Los Angeles der Siebziger spielt. Die NZZ feiert Alan Bennett als Meister der Ambivalenz.

17.09.2010 Die reine Lust bereitet der FR, wie Fritz J. Raddatz in seinen Tagebüchern von den Eitelkeiten und Gehässigkeiten des Kulturbetriebs plaudert: Das ist besser als Bunte lesen! Als eine dem Leben entspringende Leidenschaft begreift die SZ nun doch noch die Mathematik - dank Clemence Fandillot und seiner "Wurzel des Lebens". Die FAZ liest Theodor Storms Briefwechsel mit seiner Frau.

16.09.2010 Als bedeutenden Beitrag zur aktuellen Debatte begrüßt die Zeit Alice Schwarzers feministische Streitschrift gegen das Kopftuch "Die große Verschleierung". Außerdem stellt sie die Jeanne d'Arc der deutschen Dichtkunst vor: Ann Cotten. Die SZ preist Michael Kleebergs welthaltigen Roman "Das amerikanische Hospital". Die FR ist begeistert von Thomas Lehrs "September". Als Politthriller erster Güte empfiehlt die FAZ Andrew Sorkins Riesenreportage zur Lehman-Pleite "Die Unfehlbaren".

15.09.2010 Höchstes Lob vergibt die FR an Tom Segevs klarer und informative Biografie des unerbittlichen Simon Wiesenthal. Die SZ schwärmt von Manuel Fiors Jugendstil-Comic zu Arthur Schnitzlers "Fräulein Else". Die FAZ unterhält sich bestens mit Christian Mährs Krimi "Alles Fleisch ist Gras", in dem alle unliebsamen Mitbürger zu Blumenerde im Klärwerks-Häcksler werden. Und die taz stellt Peter Birkes Studie "Die große Wut und die kleinen Schritte" über das Organisieren von Arbeitern vor.

14.09.2010 Die FAZ freut sich über Tom Rachmans Journalisten-Roman "Die Unperfekten": Wie lebendig das Zeitungmachen sein kann! Die FR feiert Franz Maciejewskis Untersuchung zu Monotheismus und Machtpolitik von "Echnaton". Die NZZ lobt Angelica Ammars Roman "Die Zeit der grünen Mandeln", der vom Scheitern einer Emanzipation in Tunesien erzählt. Und Cornelia Funke stößt mit ihrem neuen Buch "Reckless" auf ein geteiltes Echo: Begeisterung bei der FAZ, Abwinken bei der SZ.

13.09.2010 Mit großem Verdruss liest die SZ die Tagebücher des einstigen Großfeuilletonisten Fritz J. Raddatz. Die SZ lobt sehr Raphael Gross' Schrift zur NS-Moral "Anständig geblieben" und ackert sich durch das vielfältige und höchst umfangreiche Werk Aby Warburgs in nur einem Band. Die FAZ ist gar nicht einverstanden mit Gerd Koenens Essay "Was war der Kommunismus?", findet ihn aber trotzdem klug und schön.

11.09.2010 In der FAZ bespricht Michael Maar eine große prächtige Märchen-Anthologie und preist besonders die so subtilen wie drastischen Illustrationen Nikolaus Heidelbachs. Außerdem erliegt Hanns Zischer dem erzählerischen Charme Claude Lanzmanns. Die NZZ lobt eine maßgebliche Edition der Vorsokratiker und den neuen Roman von Elisabeth Binder.

10.09.2010 Die FAZ feiert Melinda Nadj Abonjis ungarisch-serbisch-schweizerischen Roman "Taufen fliegen auf", der nichts im Ungefähren lasse und völlig zu Recht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stehe. Gebannt folgt die FR Colm Toibins Geschichte irischer Auswanderer in den 50er Jahren und nach "Brooklyn". Und die SZ erkennt mit Gerhard Stadelmaiers "Parkett, Reihe 6, Mitte", welch schnell welkende Kunst selbst die scharfzüngigste Theaterkritik ist.

09.09.2010 Die FAZ startet nach Lektüre von Nicholas Kristofs und Sheryl WuDunns "Die Hälfte des Himmels" die dritte und diesmal weltweite Frauenbewegung. Die FR feiert Andreas Maier und den Auftakt seiner mindestens elfbändigen hessischen Familiensaga "Das Zimmer". Die SZ empfiehlt Bessa Myftius Roman über eine albanische Kindheit unter Enver Hoxha "An verschwundenen Orten". Bei der Zeit fällt Jonathan Franzens "Freiheit" durch, loben kann sie aber Byung-hul Hans Essay über die "Müdigkeitsgesellschaft" und Nii Parkes sehr komischen Krimi "Die Spur des Bienenfressers".

08.09.2010 Heute hat Jonathan Franzen seinen großen Auftritt: Die SZ entdeckt darin Trost und Hoffnung für die liberale Gesellschaft. Die taz ist sehr berührt von diesem Roman, hält ihn aber nicht für das große Meisterwerk. Und die FR staunt über so viel pathetischen Ernst. Die FAZ schöpft aus Helga Novaks "Liebesgedichten" Kraft für die politische Unangepasstheit.

07.09.2010 Claude Lanzmanns 688 Seiten dicker Erinnerungsband "Der patagonische Hase" hat heute gleich drei Rezensenten amüsiert, informiert, erschöpft und manchmal auch genervt. Judith Zanders Debütroman "Dinge, die wir heute sagten" lässt die FR ausrufen: Buchpreis bittesehr. Die FAZ warnt vor den gefährlichen Nebenwirkungen von Adam Hasletts Erzählungen.

06.09.2010 Für eine
editorische Glanzleistung und mitunter spannend wie ein Krimi hält die FR
Siegfried Unselds Suhrkamp-Betriebstagebuch aus dem Jahr 1970 "Chronik". Die FAZ empfiehlt noch einmal
Ryszard Kapuscinskis volkspolnische Reportagen "Ein Paradies für Ethnografen", aber auch
Raul Argemis Krimi "Und der Engel spielt dein Lied" (hier unsere
Leseprobe).

04.09.2010 Viele lesenswerte Rezensionen heute in der NZZ. Atemberaubend erscheint ihr der Roman "Fegefeuer" der jungen finnischen Autorin Sofi Oksanen über die Gräuel in Estland nach dem Krieg. Nüchtern und informativ ist die NZZ-Besprechung zu Thilo Sarrazin. Spannend die Auseinandersetzung mit dem Romancier und Tagebuchautor Sandor Marai. Und faszinierend die Neuübersetzung von William Gaddis' Roman "JR". Die FAZ bringt die erste Besprechung von Jonathan Franzens "Freiheit'": Simply ein Must.

03.09.2010 Als europäische Kulturgeschichte empfiehlt die NZZ Karl-Markus Gauß' Reiseerzählung "Im Wald der Metropolen": Lust winkt und Erkenntnis. Die FAZ liest mit Vergnügen Michel Georges-Michels Pariser Boheme-Roman "Die von Montparnasse". Außerdem stellt sie Tahmima Anams Roman "Zeit der Verheißungen" vor, der von Bangladeschs Unabhängigkeitskrieg erzählt.

02.09.2010 Die FAZ liest tief beeindruckt Erwin Mortiers Roman "Götterschlaf", der die Geschichte einer Frau in Zeiten des Ersten Weltkriegs erzählt. Die Zeit feiert Steven Uhlys Romandebüt "Mein Leben in Aspik" als irrwitzigen Barock-Poetry-Slam und verteidigt Martin Mosebach und seinen Roman "Was davor geschah" gegen seine Kritiker: Mit formloser Kunst ist dem formlosen Leben nicht beizukommen. Die SZ erfährt in Barbara Ehrenreichs "Smile or Die" die beglückende Wirkung des negativen Denkens.

01.09.2010 Die NZZ freut sich über Uwe Jochums bei der Höhlenmalerei beginnenden "Geschichte der abendländischen Bibliotheken". Die SZ folgt fasziniert Stephan Wackwitz über die "Fifth Avenue" und lauscht Johannes Stecks behaglicher Lesung von Martin Walkers Weinkrimi "Grand Cru". Die FAZ beschäftigt sich mit Wirtschaftskriminalität.