
31.12.2010 In der FAZ rühmt Martin Mosebach Samuel Pepys' erstmals komplett übersetztes Tagebuch, das den ganzen, faszinierend vielseitigen Autor zeigt, und nicht nur "die Stellen". Die FR vertieft sich in Leo Tolstois Lebensbuch "Für alle Tage" und sehnt sich nach einem einfachen Leben auf dem Land. Der NZZ gefällt die Zurückhaltung, mit der Carlos Maria Dominguez in seinem Roman "Die blinde Küste" die Spätfolgen der argentinischen Militärdiktatur beschreibt.

30.12.2010 Stark und mächtig und klar findet die Zeit Sebastian Jungers Reportage über den Afghanistankrieg als existenzielles Erlebnis. Als fremdartig schönes Ganzes rühmt die FAZ Cesar Airas' Roman "Gespenster", der nach zwanzig Jahren endlich ins Deutsche übersetzt ist. Die SZ huldigt Hans Magnus Enzensberger. Und die taz liest Provinzromane.

29.12.2010 Die SZ liest bewegt Bei Lings Biografie des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Ein schönes Geburtstagsgeschenk hat Brigitte Kronauer den Rezensenten an ihrem Siebzigsten gemacht: Der Essayband "Favoriten" verschaffte der SZ Licht und Glück. Die FR bewundert ihre Verve. Die NZZ ist nach Lektüre von Michael Kempes Buch über Piraten und Völkerrecht um eine Illusion ärmer: Die Freibeuter der Meere sind so frei nicht. Die FAZ freut sich über eine deutsche Gesamtausgabe der Werke des tschechischen Dichters Vladimir Holan.

28.12.2010 Viel Euphorie heute: Die NZZ feiert Gerald Sterns selbst recht emphatische Gedichte "Alles brennt". Die taz lässt sich von wahnhaften Kakerlakengeschichten in Rawi Hages neuem Roman fesseln. Die SZ stellt Luc Boltanskis Vorlesungen zu "Soziologie und Sozialkritik" vor. Und die FR taucht tief und freudig in die Geschichte der Verfassungen in Europa: Das beste Recht, weiß sie jetzt, findet sich im Freien.

27.12.2010 Die FR liest, wie Thomas Bernhard sich in der Reibung mit der Öffentlichkeit verausgabt und ist gerührt. Die NZZ wirft in "Marjams Geschichten" einen Blick auf die Folgen des libanesischen Bürgerkriegs und ist beeindruckt. Die SZ vertieft sich in Insa Wilkes biografischen Essay über Thomas Brasch und ist inspiriert.

24.12.2010 Die
FAZ liest begeistert und ergriffen
E.L. Doctorows Roman "Homer und Langley" über die so liebens- wie bedauernswerten
Brüder Collyer. Freudig lässt sie sich auch von
Aviad Kleinberg an "Die sieben Todsünden" erinnern und lobt noch einmal
Francis Wyndhams Roman "Der andere Garten" (hier unser
Vorgeblättert). Die
FR empfiehlt die Erinnerungen der
Anarchistin Emma Goldman "Gelebtes Leben". Und die
NZZ erliegt dem melancholischen Charme von
Tove Janssons "Mumins" auch in der Comicversion.

23.12.2010 Begeistert ist die FR von Dinaw Mengestus Roman "Die Melodie der Luft", der ihrer Ansicht nach ebenso klug wie komisch von Menschen in der Fremde erzählt. Mit Interesse, aber ohne rechten Glauben liest sie auch Jan Assmanns "Religio duplex". Die SZ rühmt Samuel Pepys' Tagebücher aus dem barocken London. Berührt zeigt sich die FAZ von Tadeusz Rozewicz' Textcollage "Mutter geht".

22.12.2010 Die Zeit rühmt den vertricksten Peter Esterhazy und sein Debüt von 1979 "Ein Produktionsroman". Die FR legt uns einen großen Dichter der italienischen Moderne ans Herz: Mario Luzi und seinen Band "Auf unsichtbarem Grunde". Mit Entsetzen liest die NZZ Peer Hultbergs posthum erschienene "Selbstbiografie", eine bittere Abrechnung mit seiner Mutter. Außerdem lobt sie Dietz Berings "Die Epoche der Intellektuellen". Und die FAZ liest mit großem Interesse Viktor Mayer-Schönbergers Geschichte des Speicherns und Vergessens im Internet "Delete".

21.12.2010 Die NZZ lobt Wojciech Kuczoks Roman "Lethargie" als treffendes Gesellschaftsporträt Polens, außerdem rühhmt sie Roberto Calassos Essay über "Das Rosa Tiepolos" und das Ende der reinen Kunst. Die FAZ kommt voll auf ihre Kosten mit Hardboiled-Thriller "The Yellow-Dog-Kontrakt" von Ross Thomas aus der Ära Nixon.

20.12.2010 Die SZ entflieht ihren lärmenden Nachbarn und spaziert mit Bernd W. Seiler durch "Fontanes Berlin" - bis runter nach Treptow zum Eierhäuschen. Sehr einleuchtend findet die FR Marie-Janine Calics "Geschichte Jugoslawiens im 20. Jahrhundert". Und die FAZ lässt sich von Nizamis altpersischer Liebesgeschichte "Chosrou und Schirin" bezaubern.

18.12.2010 Gern und mit Gewinn hat die FAZ Parsua Bashis "Briefe aus Teheran" gelesen, die vom Leben im Gottesstaat erzählen - und von der Revolte gegen ihn. Die FR lobt sehr das verdienstvolle Hörbuch von und über Jürgen Fuchs "Ende einer Feigheit". Die taz liest bewegt den Comic "Insel der Männer" von Sara Colaone und Luca de Santis: Er erzählt von einem schwulen Mann, der während der Faschismus auf der Insel San Domino interniert wurde.

17.12.2010 Die SZ ist voller Bewunderung für Horst Bredekamps radikale "Theorie des Bildakts", nach der Bilder Realität nicht abbilden, sondern erzeugen. Die FR liest Christoph Peters' Geschichten "Sven Hofestedt sucht Geld für Erleuchtung". Und die FAZ unterhält sich prima mit Ken Folletts Schmöker "Sturz der Titanen" und lernt dabei auch noch einiges über den Ersten Weltkrieg.

16.12.2010 Vergnügt folgt die Zeit Katharina Döblers Roman über eine Frau, die im Kulturbetrieb arrivieren will, ohne eine Meinung über Robert Wilson oder zur Pornografie zu haben. Sehr empfehlen kann sie auch Jean-Philippe Toussaints "Wahrheit über marie" und Aby Warbungs Bericht von einer Reise nach Italien mit College Bing. Die NZZ schwärmt von Cesar Airas ganz und gar unstringenten Roman "Gespenster". Und die FAZ liest verständnisvoll Gloria Vanderbilts Erinnerungen an ihr aussschweifendes Leben "Damals schien all das wichtig zu sein".

15.12.2010 Heute ist ganz klar der Tag der Lyrik: Die FAZ stellt Gedichte von Uljana Wolf und Daniel Falb vor, die NZZ attestiert Harald Hartung für seine "Wintermalerei" poetische Meisterschaft und die SZ bewundert die quecksilbrigen Gedanken in Friederike Mayröckers "ich bin in der Anstalt". Die SZ hat außerdem die Geschichte der "Bismarcks" gelesen, die der heute 102-jährige marxistische Historiker Ernst Engelberg zusammen mit seinem Sohn Achim Engelberg.

14.12.2010 Ganz verzaubert liest die NZZ Erwin Mortiers Roman "Götterschlaf", in dem sich eine alte Frau an das Ende der Belle Epoque und den Ersten Weltkrieg erinnert. Außerdem preist sie die Gedichte des Koreaners Kwang-Kyu Kim "Botschaften vom grünen Planeten". Die SZ lobt sehr Peter-Andre Alts "Ästhetik des Bösen.

13.12.2010 Die FAZ bespricht ausführlich Peter Longerichs Biografie des narzisstisch schwer gestörten Joseph Goebbels. Lob spendet sie auch Thomas A. Szlezak, der mit hellenistischem Geist dem halbgebildeten Opportunisten zu Leibe rücken will. Die SZ liest beschwingt Thomas Welskopps Kulturgeschichte der Prohibition "Amerikas große Ernüchterung". Sehr empfehlen kann sie auch Avi Primors Buch der Missverständnisse "An allem sind die Juden und Radfahrer" schuld.

11.12.2010 Die NZZ sitzt mit Georges Perec im Cafe de la Mairie auf der Place Saint-Sulpice und lässt die Welt an sich vorbeiziehen. Die SZ gräbt sich durch Ken Folletts tausendseitigen Roman "Sturz der Titanen" und stellt fest: Gut gemeint, okay gemacht, bestens verfilmbar. Idealen Lesestoff fürs pubertierende Zielpublikum erkennt die FAZ in drei amerikanischen Kurzromanen, die in dem Band "Tage wie diese" versammelt sind. Gar nichts abgewinnen kann Detlev Claussen in der taz Norman M. Naimarks Buch über "Stalin und den Genozid".

10.12.2010 Einen sehr schönen Einblick in die chinesische Prosa der Gegenwart gewinnt die FAZ mit der Anthologie "Neue Träume aus der Roten Kammer". Die SZ folgt Joachim Dyck durch das Berlin Gottfried Benns, in Kaschemmen, die Staatsbibliothek oder die Arztpraxis in der Belle-Alliance-Straße.

09.12.2010 Die SZ begrüßt freudig die erste vollständige Übersetzung von Roland Barthes' "Mythen des Alltags" und liest mit Spannung Colin McAdams untergründigen Internatsroman "Fall". Die FAZ schwärmt von Ralph Dutlis absurder Poesiesammlung "Fatrasien": Welch ein Unsinn! Die Zeit lässt sich sanft von Haruki Murakamis schallgedämpfter Romanlimousine "1Q84" überrollen und überwindet mit der neuen Ausgabe von "Zettel's Traum ihr Arno-Schmidt-Trauma.

08.12.2010 Die NZZ bejubelt eine editorische Meisterleistung: die gesetzte Ausgabe von Arno Schmidts verrücktem Monumentalwerk "Zettel's Traum". Gern liest sie Patricia Cloughs Biografie des unkonventionellen Kolonialherrn von Äquatoria "Emin Pascha". Die SZ lernt aus Hans Maiers "Gesammelten Schriften", was ein gelehrter Liberalkonservatismus ist. Die FAZ lobt Paolo Grossis "Das Recht in der europäischen Geschichte".

07.12.2010 Ein bisschen konservativ, aber trotzdem ganz schön ganz findet die NZZ Tom Rachmans "Die Unperfekten", ein Abgesang auf die krisengeschüttelte Welt der Zeitungsverleger, Nachrufeschreiber und Korrektoren. Die SZ empfiehlt kann den mal bissigen, mal entspannten Sammelband "Bürgerlichkeit ohne Bürgertum" sehr empfehlen. Die FAZ stellt Niklas Holzbergs Buch über "Aristophanes" vor.

06.12.2010 Sehr raffiniert findet die die taz Leila Marouanes Roman "Das Sexleben eines Islamisten in Paris". Die SZ kann Wlodzimierz Borodziejs liebevoll-kühl Geschichte Polens im 20. Jahrhundert sehr empfehlen. In Daniel Clowes' Comic "Wilson" erfährt sie, wie uninteressant schlechtgelaunte Vierzigjährige sind. Die FAZ stellt Kerstin Thomas' kunstwissenschaftliche Studie "Welt und Stimmung" vor.

04.12.2010 Die taz liest mit großem Vergnügen Rainer Wieczoreks hochmusikalische "Tuba-Novelle"; es geht um einen Autor, der an einen Musiker als Nachbarn gerät. Die FAZ würdigt den Regimekritiker Jürgen Fuchs, der heute sechzig Jahre alt geworden wäre und dessen Texte das Hörbuch "Das Ende einer Feigheit" versammelt. Es spricht Herta Müller. Gelobt wird auch Jochen Racks Flieger-Roman "Menschliches Versagen".

03.12.2010 Ganz schön munter erzählt findet die FAZ Leda Forgos bitteren Roman "Vom Ausbleiben der Schönheit". Als Bewusstseinsgeschichte der Moderne liest sie Peter-Andre Alts "Ästhetik des Bösen". Die FR stellt Sabrina Janeschs Roman "Katzenberge" vor, der von einer Spurensuche in Galizien erzählt. Und die SZ hält bewundernd den Band "Before Color" mit Schwarzweiß-Fotografien von William Eggleston in den Händen.

02.12.2010 Beglückt lässt sich die SZ mit Edward Abbeys neuaufgelegten Ökoterror-Roman "Die Monkey Wrench Gang" vom Zeitgeist der 70er umwehen. Außerdem sucht sie mit dem südafrikanischen Erzähler Damon Galgut die Liebe in Indien, Lesotho und Genf. Die FAZ freut sich über die Neuauflage von Joaquim Machados "Tagebuch des Abschieds" und kämpft sich wacker durch Kathy Ackers obsessiv postmodernen Roman "Meine Mutter". Die Zeit lobt eine Biografie des Stauferkaisers Friedrich II. und wird schlau "In null Komma nichts".

01.12.2010 Von Macht, Komplizenschaft und Bosheit liest die FAZ in Ceridwen Doveys Roman "Der Koch, der Maler und der Barbier des Präsidenten". Fasziniert ist die NZZ von Stefan Rinkes Geschichte der ersten lateinamerikanischen Revolutionen. Sehr poetische Gedichte über Pilze und das Gegacker von Hühnern entdeckt die SZ in Christian Enszensbergers Band "Eins nach dem andern".