
30.08.2008 Oswalt Kolle, der Sexualerzieher der BRD, ist ein in Würde gealterter Dandy, wie die SZ anhand von Kolles Autobiografie "Ich bin so frei" feststellt. Der FAZ gefällt es, wie Elizabeth Maguire der Henry-James-Freundin Constance Fenimore Woolson in "Fenimore" Gerechtigkeit widerfahren lässt. So hochkomisch wie Sven Regener hat noch kein Autor dem großen Westberlin-Roman eine Absage erteilt, frohlockt die taz über den letzten Teil der Herr-Lehmann-Trilogie "Der kleine Bruder". Hans-Ulrich Wehlers fünfter Band der "Deutschen Gesellschaftsgeschichte" trifft sowohl in NZZ als auch in der taz auf freundliche, aber bestimmte Kritik.

29.08.2008 Geradezu betört ist die FR von Uwe Timms Roman "Halbschatten" und den Stimmen, die er aus den Gräbern des Invalidenfriedhofs tönen lässt. Sehr empfehlen kann die NZZ den Comic "Blutspuren" der Israelin Rutu Modan sowie Margo Jeffersons luziden Essay "Über Michael Jackson". Die SZ lobt Wlodzimierz Odojewskis Erzählungsband "Als der Zirkus kam".

28.08.2008 Hin und wieder etwas polemisch, aber absolut lesenswert findet die Zeit den Abschlussband von Hans-Ulrich Wehlers monumentaler Gesellschaftsgeschichte. Die FAZ empfiehlt Jose Kozer als bedeutendsten lebenden Dichter Kubas. Die FR freut sich über Michael Wildenhains sehr politischen Roman "Träumer des Absoluten". Die SZ lernt aus Goethes Tagebüchern Disziplin und kluges Sichgehenlassen. Einen "Klassiker für Antiliberale" erkennt die taz im wieder in Mode gekommenen Peter Hacks.

27.08.2008 Fröhlich und mahnend zugleich begegnet Ruth Klüger der FR in ihrer Autobiografie "unterwegs verloren". Bestürzend intim findet die NZZ den Briefwechsel zwischen Wolfgang Koeppen und seiner Frau Marion "Trotz allem, so wie Du bist". Mit Interesse liest die FAZ William J. Dodds Arbeit über Dolf Sternbergers Sprachkritik "Jedes Wort wandelt die Welt". Die SZ nimmt den neuen Diercke-Weltatlas unter die Lupe.

26.08.2008 Ein gewaltiges Panorama menschlicher Zerrüttung erblickt die NZZ in Norbert Gstreins Roman über die jugoslawischen Sezessionskriege "Winter im Süden". Als Märchen, in dem auf ewig Vatertag ist, liest die SZ Günter Grass' Autobiografie "Die Box". Und die FR hat dank Oskar Bätschmanns Monografie zu "Giovanni Bellini" gelernt, die Stimmen der Stille zu hören.

25.08.2008 Beinahe hätte es niemand bemerkt, dass das neue Buch von Günter Grass' raus ist. Die FAZ hat "Die Box" aber schon gelesen und staunt, wie sympathisch ihr Grass daraus entgegentritt. Die SZ schwärmt dagegen von Gilles Leroys Roman "Alabama Song" über Zelda Fitzgeralds niedergehaltenes Künstler-Talent. Mit hohem Lob bedenkt die FR Kurt Flaschs Mittelaltergeschichte "Kampfplätze der Philosophie".

23.08.2008 Die NZZ empfiehlt wärmstens die grandiosen "Gesammelten Schriften" des ungarischen Komponisten György Ligeti, die vor allem seinen freien Geist dokumentieren. Sehr gelobt wird auch die Neuübersetzung von Hector Berlioz' "Memoiren". Die FAZ hört gut gelaunt fünfzehneinhalb Stunden "Don Quijote". Die taz erwärmt sich für Adam Soboczynskis "schonende Abwehr verliebter Frauen" und feiert die Fotografien Jürgen Schadebergs. Die SZ begeistert sich für Thomas O. Höllmanns inspirierte Kulturgeschichte Chinas. Irgendwie unhöflich findet sie Ruth Klügers Erinnerungsband "unterwegs verloren".

22.08.2008 Die NZZ liest mit großem Interesse Dietmar Rothermunds Buch über den Aufstieg Indiens zur Weltmacht. Sehr lehrreich findet die FAZ das "Jahrbuch Menschenrechte 2008", das seinen Schwerpunkt auf die heutige Sklaverei gelegt hat. Als hervorragende Erzählerin kann sie Katharina Faber und ihre Engelsfiktion "Fremde Signale" empfehlen. Die FR lässt sich von Wolfgang Huber im christlichen Glauben unterweisen.

21.08.2008 Für das sehr schöne Ergebnis einer recht unschönen Affäre hält die FAZ Volker Schlöndorffs Autobiografie "Licht, Schatten und Bewegung". Ergriffen verfolgt die Zeit Ingeborg Bachmanns und Paul Celans Liebesmartyrium im Briefwechsel "Herzzeit". Als fulminanten Schmöker kann sie Amitav Ghoshs Geschichte "Das mohnrote Meer" empfehlen. Die SZ freut sich über Joan Didions wieder aufgelegten Roman "Demokratie", und die NZZ begeistert sich für A. F. Th. van der Heijdens "Treibsand urbar machen".

20.08.2008 Die NZZ bewundert Uwe Kolbe, den Dichter des Unterwegsseins, und seinen neuen Lyrikband "Heimliche Feste". Schärfe und Witz findet sie in Sebastian Schinnerls Antiheimatroman "In hellen Nächten". Die SZ erfährt in Ketil Björnstads Roman "Oda", wie anstrengend die Boheme sein kann. Geradezu provokant findet die FAZ den Scharfsinn von Martin von Koppenfels Flaubert-Studie "Immune Erzähler". Mit angehaltenem Atem hat die FR Pete Dexters Krimi "Paris Trout" aus dem Georgia der fünfziger Jahre gelesen.

19.08.2008 Die SZ liest Volker Schlöndorffs Autobiografie "Licht, Schatten und Bewegung" und lernt, dass das Kino mehr gibt, als es nimmt. Als Gegenmittel zur grassierenden Klima-Apokalyptik rät sie zu den beiden Geologie-Büchern "Die Erde" und "Der lange Zyklus". Elektrisiert liest die FR den Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan und empfiehlt auch sehr den Band "Dagongmei" über chinesische Wanderarbeiterinnen. Die NZZ staunt über die Leichtigkeit von Julien Greens "Erinnerungen an glückliche Tage".

18.08.2008 Die SZ huldigt mit Kerstin Ekman dem schwedischen Wald. Feurig-scharf und sehr anarchisch findet sie, wie Ali Smith den Mythos von Iphis in "Girl meets boy" nacherzählt. Ergriffen ist sie vom Briefwechsel "Herzzeit" der Liebenden Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Der FAZ imponiert Jonny Glynns drastischer Debütroman "Sieben Tage" ebenso wie Bettina Gaus' Report "Auf der Suche nach Amerika".

16.08.2008 "Herzzeit", der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan ist eindeutig die Neuerscheinung des Tages. Die taz ist fasziniert. In der FAZ empfiehlt Kurt Flasch die Euripides-Monografie Martin Hoses. Die NZZ empfiehlt dringend Miljenko Jergovic' Familiensaga "Das Walnusshaus". Die SZ befasst sich mit Caspar David Friedrich und mit Goethe.

15.08.2008 Ganz neue Lust auf James Joyce und das Zeitunglesen wecken Sara Danius und Hanns Zischler mit ihrem Buch "Nase für Neuigkeiten" bei der FAZ. Gebannt liest sie auch James Webbs Okkultismus-Geschichte "Das Zeitalter des Irrationalen". Die taz begüßt Roland Barthes im Olymp aphoristischer Meisterdenker. Und die NZZ empfiehlt Dominic Johnsons Buch über den "Kongo".

14.08.2008 Erschüttert ist die Zeit über das Panorama der stalinistischen Zivilisation, das Orlando Figes in seinem großem Buch "Die Flüsterer" zeichnet: eine Welt des Hasses, der Angst und des Fanatismus. Hellauf begeistert ist sie von Ingo Schulzes neuem Wenderoman "Adam und Evelyn". Die FR empfiehlt die Lektüre eines monumentalen Werks zum Prager Frühling. Tiefe Einblicke in die Kulturschickeria verdankt die SZ Norbert Krons Roman "Der Begleiter".

13.08.2008 Heute bringen die Debütanten die NZZ ins Schwärmen: Hochmusikalisch und poetisch findet sie Angelika Rainers rätselhafter Text über die "Luciferin", Boris Saidmann beeindruckt sie mit seinem komisch-melancholischen Roman "Hemingway und die toten Vögel, und auch Christian Zehnders Erzählung "Gustavs Traum" hat ihr gut gefallen. Die SZ liest mit Gänsehaut Christian Linders Buch über Carl Schmitt "Der Bahnhof von Finnentrop".

12.08.2008 Schockiert, entsetzt, begeistert ist die FR von der "Kriminalgeschichte des Christentums", die Karlheinz Deschner ebenso packend wie detailliert erzählt. In Begeisterung versetzt David Foster Wallace die SZ mit seinen schauerlichen Geschichten "Vergessenheit". Beeindruckt haben sie auch Günter Herburgers grimmige Gedichte in dem Band "Der Kuss". Die FAZ findet Henri Thomas' Roman "Das Vorgebirge" besser als jeden Nouveau Roman, aber nur in der Übersetzung von Paul Celan.

11.08.2008 Als einen mit allen Wassern gewaschenen Kosmopoliten preist die FR Tirdad Zolghadr und seinen Roman über die Teheraner Boheme "Softcore". Sehr empfehlen kann sie auch Christiane Kunsts Biografie über Augustus' bisher von der Geschichtsschreibung boykottierte Frau "Livia". Als Summe eines Gelehrtenlebens bewundert die SZ Bernd-Olaf Küppers' Geschichte der Erkenntnis "Nur Wissen kann Wissen beherrschen". Die FAZ reist mit Stephan Wackwitz durch Osteuropa.

09.08.2008 Heute ist Ingo Schulzes Tag. Alle haben sich auf seinen neuen Roman "Adam und Evelyn" gestürzt, sind aber unterschiedlich begeistert: Die SZ geht vor Schulzes Kunst, individuelle und Weltgeschichte zu verbinden, auf die Knie. Deutlich verhaltener loben taz, FR und FAZ. Empfehlen mag die taz außerdem Maria Cecilia Barbettas Roman "Änderungsschneiderei Los Milagros". Die NZZ versinkt in der Fortsetzung von John Cheevers Familienchronik der "Wapshots". Und die FAZ begeistert sich für Felicitas Hoppes "Iwein Löwenritter".

08.08.2008 Die FAZ liest Jorge Edwards' "Faustino" als finsteres Gedankenspiel über politischen Widerstand. Außerdem entdeckt sie Arthur van Schendels Klassiker "Das Fregattschiff Johanna Maria" wieder. Beeindruckt ist die SZ von Franziska Sperrs Romandebüt "Das Revier der Amsel". Mit Freude liest sie bei Paul Trynka nach, wie sich der wohlerzogene Jim Osterberg in Iggy Pop verwandelte. Die NZZ lässt sich von dem Reiseführer "Beograd Gazela" in eben diese Elendssiedlung der Roma führen.

07.08.2008 Hingerissen verfolgt die Zeit fast 18 Stunden lang, wie Wolfgang Koeppen in seinen Radio-Essays "Nach Russland und anderswohin" reist. Großes Lob vergibt sie auch an Madeleine Thiens Roman "Jene Sehnsucht nach Gewissheit". Die FAZ empfiehlt Dominique Bonas Doppelbiografie der Geschwister Claudel "Camille und Paul". Die SZ freut sich über die Neuausgabe von Elizabeth Bowens diabolischen Kurzgeschichten "Sommernacht".

06.08.2008 Die Unwuchten des Alltags in einem Zürcher Mietshaus erlebt die FAZ in Monique Schwitters Debütroman "Ohren haben keine Lider". Erschüttert hält sie Peter Beards wiederaufgelegten Klassiker der Afrika-Fotografie "End of the Game" in den Händen. Die FR bewundert die aufregend ruhigen Fotografien Cy Twomblys und sieht in Virginia Woolfs Aufzeichnungen aus den Jahren 1936 bis 1941 den "Idealfall eines Tagebuchs" Die NZZ liest Kinderbücher.

05.08.2008 Den ganz eigenen Klang der Westschweiz vernimmt die SZ in Philippe Jaccottets schöner Anthologie "Die Lyrik der Romandie". Berührt ist sie von Cyril Pedrosas Comic "Drei Schatten". Die taz kann auch Leonardo Paduras inzwischen sechsten Kuba-Krimi "Der Nebel von gestern" empfehlen. Und die FR liest Christiane Grefes und Harald Schumanns Globalisierungskritik "Der globale Countdown".

04.08.2008 Anrührend realen Goldbomben und Krummnasigen ist die FAZ in Mircea Cartarescus Liebesgeschichten "Warum wir die Frauen lieben" begegnet. Gern würde sie auch nach Lektüre von Victor von Weizsäckers "Warum werden wir krank" das Gesundheitswesen revolutionieren. Überzeugend findet die SZ Georg Blumes Plädoyer für eine positivere Politik gegenüber Peking "China ist kein Reich des Bösen". Außerdem versinkt sie in Teresa de la Parras "Tagebuch einer jungen Dame, die sich langweilt".

02.08.2008 Höchstes Entzücken und Respekt rufen die
Gedichte Wolfgang Hilbigs bei Rezensenten in
taz und
FAZ hervor. Wer die
Kunst der Verstellung lernen will, lese
Adam Soboczynskis Ratgeber "Die schonende Abwehr verliebter Frauen", empfiehlt die
SZ. Fulminant, Dialektik der
Aufklärung auf Indisch! ruft die
FAZ nach Lektüre von
Aravind Adigas "Der weiße Tiger", ein Roman über einen Aufsteiger (
Leseprobe). Die
NZZ vertieft sich in einen Roman über
Paul Schreber, einen berühmten Fall
Sigmund Freuds.

01.08.2008 Die taz folgt dem Jazzkritiker Ben Ratcliff in John Coltranes monoton-erhabene Klangkathedralen. Die SZ liest Anthony McCartens Parallelgesellschaftspanorama "Englischer Harem" und stellt neue Kinderbücher vor. Keinen Pop, sondern Hardrock findet die FR in Franz Doblers Roman "aufräumen", dessen Held natürlich nicht den Hauch einer Chance hat. Die FAZ schwelgt in Thomas Hettches "Fahrtenbuch" und lernt in John Virapens "Nebenwirkung Tod" von den Machenschaften der Pharma-Industrie.