
30.10.2010 Die FAZ taucht ein in die Welt von Svenja Leibers ländlicher Kleinkommune im Dorf russischen Dorf Schipino. Mit Interesse liest auch noch einmal die Essays Monika Marons zur Wiedervereinigung. Die NZZ freut sich, dass Gabriel Josipovicis endloser Redestrom in "Moo Pak" endlich einen kongenialen deutschen Übersetzer gefunden hat. Die SZ hat Sascha Lobos Roman "Strohfeuer" gelesen und muss zugeben: interessant. Die taz stellt einen Band vor, der Tagebücher und Briefe Jugendlicher zu einer deutschen Geschichte von 1900 bis 2000 Zusammenstellt.

29.10.2010 Als geradezu tollkühnen Alpenroman in Cinemascope preist die FAZ Thomas Willmanns Debüt "Das finstere Tal". Sehr bewegt hat sie Aharon Appelfelds Bukowina-Roman "Katerina". Metaphysische Schauder erlebt die NZZ mit Marc-Antoine Mathieus Comic über "Gott höchstselbst". Die SZ erleidet bei Lektüre von Rafael Horzons "Weißem Buch" einen Anfall von Spontanekstase.

28.10.2010 Die FAZ stellt einen ganzen Stapel Filmbücher vor, darunter Alberto Moravias detaillierte Befragung Claudia Cardinales und eine Hommage an das Hollywood der dreißiger Jahre. Sehr aufgewühlt hat die Zeit Lisa-Marie Dickreiters tieftrauriger Debütroman "Vom Atmen unter Wasser", als große Wiederentdeckung feiert sie Gabriel Chevalliers Roman über den Ersten Weltkrieg "Heldenangst". Und die FR fände Michael Tomasellos vergleichende Tests von Menschen und Primaten noch überzeugender, wenn er den armen Tieren mal eine Chance ließe.

27.10.2010 Die FAZ fühlt sich pudelwohl auf
Jean Rolins "Boulevard Ney" mit all seinen Fixern und Strichern, auch wenn sie manchmal den Anschluss verliert (hier unser
Vorgeblättert). Die SZ lernt bei
Keith Richards Profundes über
reines Kokain, Frauen und
Gitarrenriffs. Hingerissen ist sie auch von Serge Gainsbourgs
Flatulenz-Poesie "Das heroische Leben des Evgenij Sokolov". Die taz preist den Zeichner
Alex Robinson und seinen Comic "Unvergessene Zeiten". Die FR liest mit gemischten Gefühlen
Oksana Sabuschkos Ukraine-Roman "Museum der vergessenen Geheimnisse".

26.10.2010 Geradezu in einen Sinnesrausch gerät die FAZ über Jose Eduardo Agualusas Roman "Die Frauen meines Vaters". Richard Dawkins' neues Buch "Die Schöpfungslüge" kann sie jedem zur Auffrischung naturwissenschaftlicher Grundkenntnisse empfehlen. Von Wahn und revolutionärer Kraft liest die NZZ in Sara Stridsbergs biografischem Roman "Traumfabrik" über Valerie Solanas, der ersten Gesellschafterin zur Zerstückelung von Männern. Mitgenommen hat sie auch Rodolfo Enrique Fogwills Roman über den Falklandkrieg "Die unterirdische Schlacht".

25.10.2010 Die FAZ lernt in Markus Krajewskis Kulturgeschichte des Dieners alles über Domestiken und Faktoten und Mensch und Technik. Mit Freude schwelgt sie auch in den Gedichten von Nelly Sachs. Die SZ liest wehmütig Klaus Völkers Geschichte des "Kabaretts der Komiker". Die taz protestiert mit Christoph Twickel gegen Hamburgs Stadtpolitik und das "Gentrifidingsbums".

23.10.2010 Die FAZ entschleunigt mit Peter Waterhouse, springt bei Akkuratus hoch zwei im Quadrat und lässt bei einer Neuübertragung von Grimmelshausens "Courage" den Mut sinken. Die SZ reist noch einmal mit Herta Müller auf einem Bein. Die taz fällt mit Colin McAdam und lässt sich von Jean-Philipp Toussaint die Wahrheit über Marie erzählen.

22.10.2010 Die SZ liest Giorgio Agambens "Herrschaft und Herrlichkeit" mit wachsender Ernüchterung und erkennt schließlich auf Demokratiefeindlichkeit. "Sadistische Präzision" kann sie dann aber bei Joshua Ferris' Roman "Ins Freie" loben. Die FAZ liest mit gemischten Gefühlen Antonio Scuratis Roman "Das Kind, das vom Ende der Welt träumte" zu Kindesmissbrauch und Medienhysterie.

21.10.2010 Pubertät als echten Horror erlebt die FAZ in Mircea Carterescu Roman "Travestie". In begrenzten Dosen genießt die NZZ Jean-Philippe Toussaints Roman "Die Wahrheit über Marie". Die FR lobt Linda Polmans kritische Untersuchung der "Mitleidsindustrie". Und die SZ lernt freudig bei den Science Busters, denn: "Wer nichts weiß, muss alles glauben".

20.10.2010 Die NZZ warnt dringend vor Peter Matics Lesung von Marcel Prousts "Suche nach der verlorenen Zeit": Höchste Suchtgefahr! Mit Superlativen belegt die SZ Uwe Wesels "Geschichte des Rechts in Europa". Die FAZ liest mit Entsetzen in Rainer Fromms und Richard Rickelmanns Buch "Ware Patient" von Korruption, Vorteilsnahme und Lobbyistentum unter Ärzten.

19.10.2010 Überschwänglich preist die SZ Haruki Murakamis neuen Roman "1Q84", seine Frische, Schlichtheit und eine geradezu mütterliche Liebe. Die NZZ begeistert sich für Mariam Kühsel-Husseinis sehr musikalischen westöstlichen Roman "Gott im Reiskorn". Und in der FR schwärmt Ralf Bönt von Sofi Oksanens grandiosem Roman "Fegefeuer".

18.10.2010 Das Glück auf den Flügeln der Schmetterlinge entdeckt die SZ in einem "wunderschönen" Buch von Hanns Zischler über das Forscherleben des Arnold Schultze. Die FAZ liest mit Spannung die allerdings nicht gerade selbstkritischen Bekenntnisse der Giuseppina Vitale: "Ich war eine Mafia-Chefin". Empfehlen kann sie auch zwei über über Schwarmintelligenz von Len Fisher und Peter Miller.

16.10.2010 Die taz feiert eine Entdeckung: K. Sello Duikers südafrikanischer Roman "Die stille Gewalt der Träume". Als Klassiker der linken Bolschewismuskritik empfiehlt sie Ante Ciligas Bericht "Im Land der verwirrenden Lüge" von 1938. Die FAZ verschlingt Haruki Murakamis neuen, tausendseitigen Roman "1Q84" mit angehaltenem Atem. Hingerissen ist sie von auch Peter Matics aristokratischer Lesung von Prousts "Wiedergefundener Zeit" und schlägt schließlich mit Siegfried Unseld den Aufstand der Suhrkamp-Lektoren nieder. Die NZZ liest schaudernd Antonio Machados Schriften über den Spanischen Bürgerkrieg.

15.10.2010 Die SZ liest in Anna Katharina Fröhlichs Roman "Kream Korner" von den Abenteuern einer intellektuellen Erotomanin in Indien und der Provence. Die FAZ folgt freudig dem laufenden Helden durch Joshua Ferris' Roman "Ins Freie", und es ist ihr egal, wohin das Ganze führt.

14.10.2010 Martin Walser hat für die Zeit Peer Steinbrücks Finanzkrisendrama "Unterm Strich" gelesen und staunt, dass Banken genauso sorglos mit der Realität umgehen wie Feuilletons. Mannhaft steckt die Zeit auch weg, was Peter Zadek in den "Wanderjahren" über das Theaterpublikum in Berlin und Hamburg schreibt. Die taz blättert fasziniert durch Giorgia Fiorio Fotoband über "Rituale". Die SZ stellt Bücher über die Lebensmittelindustrie vor, die ihr ganz schön auf den Magen schlugen.

13.10.2010 Rundum beglückt zeigt sich die SZ von Wolfgang Herrndorfs Roadnovel "Tschick", in der ein asozialer Russlanddeutscher und sein wohlstandsverwahrloster Kumpel mit geklautem Lada durch den Osten reisen. Die FR empfiehlt Michael Köhlmeiers Roman "Madalyn". Sehr loben kann die NZZ Peter Geimers Gegengeschichte der Fotografie "Bilder aus Versehen".

12.10.2010 Momente von abgründiger Tiefe verdankt die NZZ Gaetan Soucys Roman "Die Unbefleckte Empfängnis". Die FAZ preist Wassili Grossmans erschütternde Erzählung "Alles fließt", die Geschichte des Iwan Grigorjewitsch, der nach dreißig Jahren Gulag-Haft in die sowjetische Freiheit entlassen wird. Von Richard Russos Familiengeschichte "Diese alte Sehnsucht" kann sie nur den ersten Teil empfehlen.

11.10.2010 Begeistert ist die FR von Peter Careys Roman "Parrot und Olivier in Amerika", der einen französischen Adligen und einen englischen Falschmünzer auf Tocquevilles Spuren schickt. Die SZ verfolgt den Schlagabtausch zwischen Leo Strauss und Eric Voegelin über "Glaube und Wissen". Und die FAZ kann Georges Didi-Hubermans Aby-Warburg-Studie "Nachleben der Bilder" empfehlen.

09.10.2010 In der SZ ist Brigitte Kronauer hin- und hergerissen von Vladimir Nabokovs Roman "Ada oder das Verlangen". Die FAZ liest zwei schöne Kinderbücher über Patchwork-Familien. Die FR versinkt in Heinz Dieter Kittsteiners Geschichtsbuch über die "Stabilisierungsmoderne" nach dem Dreißigjährigen Krieg.

08.10.2010 Die SZ taucht mit Philipp Meyers Roman "Rost" in das Leben der Bewohner einer einer einstigen Stahlarbeiter-Region in den USA ein. Die FR versenkt sich in die mehrere Generatioen umspannende Geschichte von Erich Hackls "Familie Salzmann". Ziemlich mitgenommen ist die FAZ nach dem Debütroman über Flucht und Vertreibung aus Schlesien des 1936 geborenen Autors Theodor Buhl.

07.10.2010 Die Zeit ist ganz hingerissen von Ian Mc Ewans Helden in neuem Roman "Solar": Der Mann ist sexsüchtig, egozentrisch, aber verdammt schlau. Ganz hingerissen ist sie auch von der Martin-Kippenberger-CD "I was born under a wand'rin' star". Die FAZ preist Vladimir Sorokins Zukunftsvision "Zuckerkreml". Zeit und FR lesen zudem Amartya Sens Schrift "Die Idee der Gerechtigkeit".

06.10.2010 Die Literaturkritik tummelt sich derzeit in Frankfurt, da werden Rezensionen rar. Als kleines Meisterwerk feiert die FAZ immerhin Szilard Rubins "Eine beinahe alltägliche Geschichte", die von Kurbädern und einer raubkatzenartigen Geliebten erzählt, und Günter Wallraff rezensiert Frank Hertels Report "Knochenarbeit". Die heute erschienene Literataz werden wir in den nächsten Tagen auswerten.

05.10.2010 Für
echtes Dynamit hält die FR
Martin Caparros' Roman "Wir haben uns geirrt" über Schuld und Sühne in Zeiten der
argentinischen Junta (hier unsere
Leseprobe). Die NZZ erfreut sich an den Gedichten von
Du Fu aus dem 8. Jahrhundert und liest mit großem Vergnügen
Knigge. Und die FAZ bewundert
Undine Gruenters nachgelassene "Epiphanien".

04.10.2010 Ebenso fasziniert wie schaudernd folgt die FR Philippe Claudels Dokumentation "Das Geräusch der Schlüssel" und hinter die Mauern französischer Gefängnisse. Die SZ liest seufzend Hans Christoph Buchs Nachruf auf das unglückliche Haiti. Und sehr dankbar ist die FAZ Nicholas Carr für die Warnung vor der Umverdrahtung unserer Gehirne. Empfehlen kann sie auch Kati Martons Porträts ungarischer Emigranten "Die Flucht der Genies". Die heutige Literaturbeilage der NZZ werden wir in den nächsten Tagen auswerten.

02.10.2010 Die FAZ lässt sich von Ingrid Noll in deutsche Spießerhöllen führen, die Mordgedanken gebären. Außerdem stellt sie zwei informative Bücher des pakistanischen Journalisten Ahmed Rashid über die Taliban vor. Die FR beobachtet teilnahmsvoll Florence Aubenas' Versuche, sich mit einem Putzjob über Wasser zu halten. Statt Sarrazin empfiehlt die taz lieber die Lektüre von Nourig Apfelds Buch "Ich bin Zeugin des Ehrenmords an meiner Schwester".

01.10.2010 Von wegen sperrig und dunkel! Als ganz verspielt und humorvoll feiert die FAZ Georg Kleins neue Erzählungen "Die Logik der Süße". Auch dem Concierge des Frankfurter Hofs, Jürgen Carl, erweist sie ihre Reverenz. Sehr traditionell, aber auch sehr souverän findet die SZ John Darwins umfassende Globalgeschichte großer Reiche "Der imperiale Traum".